Mässiges Interesse an Grippeimpfung beim Spitalpersonal
Das Wichtigste in Kürze
- Der Personalmangel macht Spitälern immer mehr zu schaffen.
- Auch ohne Corona-Pandemie können Spitalbetten knapp werden.
- Erkranktes Personal verschärft das Problem, aber die Grippeimpfung ist nicht sehr beliebt.
Dringend gesucht: Pflegepersonal für die Schweizer Spitäler. Nachdem schon vor der Pandemie das Angebot knapp war, haben unterdessen auch noch viele gekündigt. Die chronisch unterbesetzten Abteilungen einiger Spitäler sollen nun mit Personal aus Polen ergänzt werden. Das Kantonsspital Aarau macht gar eigens ein «Pflegecasting» in Italiens Hauptstadt Rom.
Diesen Winter, so die Prognose, sollten weniger die Anzahl hospitalisierter Patienten, sondern ausfallendes Spitalpersonal Anlass zur Sorge sein. Schon im September klagten Spitäler über zu viele erkrankte Mitarbeiter.
Im Wallis werden seit Mitte Oktober geplante Eingriffe verschoben, als wäre noch immer Lockdown. Eine Basler Privatklinik musste aus Personalmangel schon zehn Gebärende abweisen. Bei den Kinderkliniken wird gar ein «Kollaps des Systems» befürchtet.
Corona plus Grippe machen Spitälern Sorgen
Das Letzte, was die Spitäler jetzt noch brauchten, wären Dutzende Coronafälle beim Gesundheitspersonal, auch wenn die Erkrankungen meist milde verlaufen. Oder dass die üblicherweise ab Januar auftretende Grippeepidemie Ärzte und Pflegepersonal ans Bett fesselt. Ein sehr wahrscheinliches Szenario: «Nach zwei Jahren mit wenigen Fällen erwarten wir nun eine grössere Grippewelle», sagt Joakim Faiss von Spital Wallis.
Impfungen könnten dazu beitragen, dass die dünne Personaldecke in den Spitälern nicht noch ganz einstürzt. Sowohl die Grippeimpfung wie auch die Auffrischimpfung gegen Covid-19 ist dem Spitalpersonal empfohlen. Insbesondere bei der Grippeimpfung machen viele Spitäler eigens eine Kampagne. Doch beim Corona-Booster haben die meisten keine Übersicht, wie viele Angestellte gepikst sind: Die Zahlen werden gar nicht mehr erhoben.
Grippeimpfung: «Nachfrage eher mässig»
Beim Universitätspital Zürich verströmt man dennoch Zuversicht: «Letzte Woche hatten wir schon über 1000 Anmeldungen, womit wir zufrieden sind», so Sprecherin Manuela Britschgi. Hinzu kämen ja noch diejenigen, die sich in Imfzentren boostern liessen. Im Blindflug ist man dagegen am Berner Inselspital, da das eigene Personal seine Impftermine im Portal des Kantons bucht. Auch wenn der Termin dann am Impfzentrum Inselspital stattfindet.
Bei der Grippeimpfung erwartet das Inselspital eine ähnliche Nachfrage wie in früheren Jahren, sprich rund 45 Prozent der Mitarbeitenden. Gemäss BAG sollte eine Quote von 70 Prozent erreicht werden. Andere angefragten Spitäler können noch keine Angaben machen, da die Impfkampagne erst anläuft. So im Kantonsspital Sankt Gallen, am Universitätsspital Basel (USB) und beim Verbund «Spital Wallis».
Sind Sie gegen Grippe geimpft?
Es sei zwar noch zu früh für eine Evaluation, sagt Nicholas Drechsler vom USB, aber: «Die Nachfrage scheint aktuell eher mässig im Vergleich zu den Vorjahren». Dabei, weiss Professor Andreas Widmer, Präsident des Nationalen Zentrums für Infektionsprävention, hat Basel schon in der Vergangenheit viel investiert. Mit Zehntausenden von Franken habe man versucht, die Impfrate bei der Pflege zu erhöhen. «Sie ist von 25 Prozent auf 34 Prozent gestiegen, trotz maximalem Aufwand»,
Junges Personal mit wenig Interesse an Booster
Im Wallis hat man in vor-pandemischen Zeiten immerhin knapp 40 Prozent Impfrate beim Pflegepersonal erreicht. Bei der Ärzteschaft liegen die Werte generell höher. Im Kantonsspital Freiburg lassen sich rund ein Drittel der Mitarbeiter jeweils gegen Grippe impfen. Für den Covid-Booster seien die Anmeldungen «gering», so Sprecherin Priska Rauber.
Dabei sei auch diese Impfung gerade für das Pflegepersonal ratsam: «Um die Patienten zu schützen, auch wenn mit dem Tragen einer Maske und der Händehygiene bereits ein guter Schutz besteht.» Rauber vermutet, die Zurückhaltung komme daher, dass für die Allgemeinbevölkerung der Booster vor allem gefährdeten Personen und Ü65 empfohlen sei. «Letztere Empfehlung hält jüngere Pflegekräfte von der Notwendigkeit ab, sich impfen zu lassen.»
Ohne Personal keine Spitalbetten
Dies könnte sich als gewichtiger Faktor erweisen für die Verfügbarkeit der begehrten Spitalbetten. Auf den Intensivstationen scheint sich die Situation mittlerweile zwar einigermassen entspannt zu haben, auch wenn Personal weiterhin knapp ist. Doch schwanken die Auslastungszahlen stark und oft unvorhersehbar.
In bevölkerungs- und entsprechend bettenreichen Kantonen mit vielen Spitälern gleicht sich dies in der Statistik eher aus. Dass dies für ein einzelnes Spital anders aussehen kann, lässt sich anhand der Zahlen aus kleineren Kantonen erahnen.
Im Wallis waren in den letzten Wochen an Spitzentagen sämtliche verfügbaren Intensivbetten belegt. Im Kanton Freiburg schnellte die Auslastung innert fünf Tagen von 55 auf 95 Prozent hoch. Erkranken zusätzlich einige Prozent der Mitarbeitenden während einer Grippewelle, können weniger Betten betrieben werden. Und dies genau dann, wenn auch mehr Patienten wegen der Grippe hospitalisiert werden.