Nachrichtendienst: Putsch gegen Putin als «substanzieller Schock»
Am Montag hat der Nachrichtendienst des Bundes seinen Jahresbericht präsentiert: Der Angriffskrieg in der Ukraine bleibt im sicherheitspolitischen Fokus.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Montag hat der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) seinen Jahresbericht vorgelegt.
- Der russische Einfall in die Ukraine bleibt im Fokus des sicherheitspolitischen Umfelds.
- Im Inland warnt der NDB vor gewalttätigem Extremismus und vor dschihadistischem Terror.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bleibt der Fokus im sicherheitspolitischen Umfeld der Schweiz. Und auch die Bedrohung durch ausländische, vor allem russische und chinesische Spionage bleibt hoch. Zu diesem Schluss kommt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB).
Russland habe die regelbasierte Friedensordnung in Europa zerstört. Internationale Foren zur Gewährleistung von Frieden und Sicherheit wie die UNO oder OSZE hätten weiter an Wirkung verloren. Ferner sei eine stabile neue Weltordnung nicht absehbar. Dies heisst es im Lagebericht des NDB «Sicherheit Schweiz 2023», der am Montag in Bern vorgestellt wurde.
Gemäss NDB ist auch die Bedrohung durch Spionage in der Schweiz nach wie vor hoch. Sie gehe nach wie vor hauptsächlich von staatlichen Akteuren aus, insbesondere vom Nachrichtendienst von Russland, aber auch von China.
Nachrichtendienstangehörige unter diplomatischer Tarnung
Im Vergleich zu anderen Ländern, wo zahlreiche als Diplomaten getarnte russische Nachrichtendienstangehörige ausgewiesen wurden, sei diese hierzulande Zahl noch hoch. Demnach sei mindestens ein Drittel des Personals an den russischen Vertretungen in Genf und Bern für den russischen Nachrichtendienst tätig.
Europaweit würden in der Schweiz wohl am meisten russische Nachrichtendienstangehörige unter diplomatischer Tarnung eingesetzt. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Rolle als Gaststaat internationaler Organisationen.
«Substanzieller Schock» für Russland
Auch der bewaffnete Angriff auf das Regime von Wladimir Putin war Thema der Medienkonferenz: Laut dem Direktor des NDB, Christian Dussey, ist derselbe ein «substanzieller Schock» auf das System Russlands. Der Nachrichtendienst habe die Entwicklungen am Wochenende genau beobachtet.
«Dies ist die grösste innenpolitische Herausforderung, der sich Putin seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahrzehnten stellen musste.» Dies erklärte Dussey am Montag vor den Medien in Bern. Ferner sei die Instabilität einer Atommacht eine sehr ernste Angelegenheit.
Während eines solchen Ereignisses sei alles sehr nebulös und dynamisch, sagte Dussey weiter. Viele Akteure warteten ab, um zu sehen, wie sich der Wind drehe. Für eine Einschätzung sei es deshalb noch zu früh. «Wir werden die Auswirkungen erst in ein paar Wochen oder Monate abschätzen können», so Dussey.
Trend zu bipolarer Weltordnung
Die Rivalität der Grossmächte drücke der gegenwärtigen Übergangszeit den Stempel auf. Der Trend gehe in Richtung einer bipolaren, von der Systemrivalität der USA und Chinas geprägten Weltordnung.
Der NDB ortet aber auch im Inland Probleme: In der Schweiz wachse mit der gesellschaftlichen Polarisierung und Fragmentierung das Risiko von gewalttätigem Extremismus – von rechts wie links. Auch die Terrorbedrohung durch dschihadistische Bewegungen bleibe hoch.
Um all diese Herausforderungen zu meistern, hat der Direktor eine Restrukturierung innerhalb des NDB eingeleitet. «Ab 1. Januar 2024 muss der NDB agiler sein», sagte Dussey.