Parlamentarier haben kein Problem mit Erdogans PR-Auftritten in Genf
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mobilisiert am Flüchtlingsforum in Genf Anhänger wie Gegner. Das sei legitim, sagen Bundespolitiker.
Das Wichtigste in Kürze
- Der türkische Präsident Erdogan sorgt am Flüchtlingsforum in Genf für viel Wirbel.
- Parlamentarier finden die Propaganda auf Schweizer Boden aber legitim.
- Erdogan-Fans wie Erdogan-Kritikern müssten ernstgenommen und angehört werden.
Sogar die Eröffnungsrede von Aussenminister Ignazio Cassis am Flüchtlingsforum hat Recep Tayyip Erdogan gestört. Der türkische Präsident polarisiert, und das auch während seinem Besuch in der Schweiz. Seine Fans feiern ihn wie einen Popstar, seine Gegner werfen ihm vor, mit «blutigen Händen» anzureisen.
Die Schweiz hat keine Handhabe, solche Propaganda-Auftritte zu verbieten. Und das sei gut so, sind selbst Erdogan-Kritiker im Parlament überzeugt.
Sibel Arslan: «Das ist legitim»
Dabei war es gerade Erdogan, der schon vor drei Jahren Anlass gab zu einem Vorstoss aus der CVP. Politische Reden von Ausländern sollten wieder bewilligungspflichtig werden, um Zuständen wie in Deutschland vorzubeugen. Dort hatten Erdogan-Anhänger zu Zehntausenden demonstriert und ein Gericht schliesslich Auftritte türkischer Politiker via Grossleinwand verboten.
«Herr Erdogan ist eingeladen», betont dagegen Sibel Arslan, kurdischstämmige Baslerin und Nationalrätin der Grünen. «Aus staatsrechtlicher Sicht ist es legitim, dass er dort ist. Personen, die dafür oder dagegen protestieren, haben in einem freien Land das Recht, dies zu tun.» Viel wichtiger als Verbote sei, Anliegen und Kritik ernst zu nehmen.
Abgrenzung schwierig: «Auch Unsinn soll möglich sein!»
Wenn man denn eine Regelung schaffen wollte, müsste diese für alle Länder gleichermassen gelten, sagt Arslan. Was, wenn Barack Obama mit einem Besuch für Aufruhr sorgt – und nicht einmal ein politisches Amt hat? «Eine Abgrenzung wäre in jedem Fall schwierig. Man darf keinen Unterschied machen zwischen Präsidenten, die uns passen, und solchen, die uns nicht passen.»
Dieser Meinung ist auch SVP-Nationalrat Roland Büchel. Er würde auch Auftritte von Diktatoren oder Rebellen-Führern nicht verbieten: «Auch was nach unseren Begriffen Unsinn ist, soll möglich sein».
Allerdings hat Büchel damals den Vorstoss für eine Bewilligungspflicht unterstützt. «Das tue ich auch weiterhin», betont Büchel. «Wenn Auftritte die innere Sicherheit gefährden könnten, darf man diese nicht bewilligen.»
Hoffentlich keine Zusammenstösse
Ein Redeverbot aber, heisst es links wie rechts, passt nicht zur freiheitlichen Schweiz. Hierzulande wird zugehört und diskutiert. Und was, wenn nicht mehr zugehört, sondern nur noch dreingeschlagen wird? Gerade weil Ausschreitungen befürchtet werden, sind die Sicherheitsmassnahmen in Genf noch einen Zacken höher.
«Ich hoffe sehr, dass es nicht zu Gewaltakten kommt», sagt Sibel Arslan. Solches würde nicht nur den Anliegen der Beteiligten schaden, sondern auch allen aussenstehenden Beobachtern. Aber man müsse das ernst nehmen: «Menschen sind berührt, sind betroffen, wollen ihre Unterstützung oder Kritik an solchen Anlässen kundtun.» Das sei zu respektieren.