Die Parteien sind sich nicht einig über die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegswaffen. Die Vernehmlassung zur entsprechenden Gesetzesänderung ging zu Ende.
Kriegsmaterialgesetz
Das Kriegsmaterialgesetz (KMG) verbietet, exportierte Schweizer Rüstungsgüter an die Ukraine weiterzugeben. (Themenbild) - sda - Keystone/CHRISTIAN BEUTLER

Empfängerstaaten von Schweizer Kriegsmaterial sollen dieses nach dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren an einen Drittstaat weitergeben dürfen. Auch bereits erteilte Nichtwiederausfuhr-Erklärungen sollen nachträglich aufgehoben werden können. Dies auch im Hinblick auf Waffenlieferungen für die vom Krieg gebeutelte Ukraine. Die Parteien sind sich uneins.

Die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Änderung des Kriegsmaterialgesetzes ist am Montag zu Ende gegangen. Gegenwärtig verbietet es das Kriegsmaterialgesetz (KMG), exportierte Schweizer Rüstungsgüter an die Ukraine weiterzugeben. Vom Bundesrat abschlägig beantwortete Anfragen aus europäischen Ländern, darunter Deutschland, führten zu Diskussionen über eine Lockerung des Nichtwiederausfuhr-Verbots.

Der Entwurf der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (Sik-N) sieht vor, diese Diskussionen mit einem neuen Artikel im KMG zu beenden. Empfängerstaaten von Schweizer Kriegsmaterial, welche die «Werte der Schweiz teilen», sollen nach dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren dieses unter Bedingungen an einen Drittstaat weitergeben dürfen.

Ein entsprechender Drittstaat darf unter anderem nicht in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sein, es sei denn, er macht von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch. Auch wird in der Vorlage der Sik-N festgehalten, unter welchen Bedingungen bereits erteilte Nichtwiederausfuhr-Erklärungen aufgehoben werden können. Dies besonders im Hinblick auf eine Weitergabe durch den Empfängerstaat zugunsten der Ukraine.

Für die Mitte ist die Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern durch europäische Staaten zugunsten der Ukraine neutralitätsrechtlich unproblematisch, wie die Partei mitteilte. Der Anstand gebiete es, «unsere Wertepartner nicht unnötig in ihrer Handlungsfreiheit einzuschränken». Die nun vorliegende Mehrheitsvariante der SiK-N stelle einen längst überfälligen Kompromiss dar, der von der Mitte klar unterstützt werde.

Misstrauen bei europäischen Partnern

Zentral sei für die Partei, dass der Vorschlag der SiK-N es den internationalen Wertepartnern der Schweiz ermöglichen würde, Rüstungsgüter aus Schweizer Produktion der Ukraine für ihren Verteidigungskampf zur Verfügung zu stellen. Die Gesetzesänderung trägt laut der Mitte zudem dazu bei, der für die Landesverteidigung unerlässlichen industriellen Basis eine Perspektive zu bieten.

Die FDP bezeichnet den Entwurf als «pragmatischen Kompromiss», wie sie mitteilte. Auch die Freisinnigen betonten die Wichtigkeit der Schweizer Rüstungsindustrie für die Sicherheit der Schweiz. Die Verweigerung der Wiederausfuhr habe zu Misstrauen bei den europäischen Partnern geführt. Die nun vorgeschlagene Änderung im KMG ermögliche es, das Vertrauen dieser Länder wiederherzustellen.

Darüber hinaus stehe die Variante der Sik-N im Einklang mit dem Völkerrecht. Neutralität dürfe nicht gleichbedeutend mit einer Untätigkeit gegenüber offensichtlichen Aggressionen – wie derjenigen von Russland gegen die Ukraine – sein.

Die Grünliberalen begrüssen den Vorschlag der Sik-N ebenfalls als einen «Kompromiss, der sich auf die völkerrechtlichen Grundsätze der Uno-Charta stützt». Ergänzend zu ihren starken Kompetenzen in der humanitären Hilfe und Friedensvermittlung solle die Schweiz Staaten, die den gleichen Werten verpflichtet sind und die in der Schweiz erworbenes Kriegsmaterial an die Ukraine weitergeben möchten, keine Hürden in den Weg stellen.

Die SVP lehnt die Vorlage derweil «entschieden» ab. Dies trotz der Tatsache, dass die Partei Lockerungen im Kriegsmaterialgesetz, ähnlich wie die Mitte, in der Vernehmlassungsantwort als «existenziell für den Fortbestand der schweizerischen Rüstungsindustrie» ansieht. Die vorgeschlagene Lösung bleibe ein «bürokratisches Monstrum», das weit über das Neutralitätsrecht hinausgehe und alle involvierten Akteure unnötig belaste.

Die Partei fordert, analog zu einer in der Kommission unterlegenen Minderheit, eine generelle Liberalisierung des Artikels. Demnach sollen alle Waffenwiederausfuhrerklärungen mit einem festen Ablaufdatum versehen und nach fünf Jahren gelöscht werden. Beschränkungen auf einzelne Staaten könnten laut der SVP als Verstoss gegen das Haager Abkommen ausgelegt werden.

«Im Widerspruch zu den humanitären Werten»

Auch die in den Schlussbestimmungen des Entwurfs genannte rückwirkende Anwendung der neuen Bestimmungen auf bereits erteilte Nichtwiederausfuhr-Erklärungen lehnt die SVP ab. Eine solche sei rechtsstaatlich unzulässig.

Auch die Grünen weisen die angestrebte KMG-Änderung zurück. Der Entwurf der Sik-N entspreche einer Abschaffung der Nichtwiederausfuhrklausel, welche die Ausfuhr von Kriegsmaterial in Länder mit Menschenrechtsverletzungen verbietet, liess die Partei verlauten. Auch würde die Verantwortung der Schweiz für exportierte Waffen geschwächt werden. Dies stehe «im Widerspruch zu den humanitären Werten» der Schweiz.

Die SP hingegen begrüsst die generelle Stossrichtung der Vorlage. Die Partei sei überzeugt, dass die Schweiz ihre Partnerländer nicht daran hindern sollte, ehemals aus der Schweiz gekauftes Kriegsmaterial an die Ukraine weiterzugeben. Die konkrete Umsetzung der Vorlage sei jedoch zu wenig zufriedenstellend.

Dies zum einen wegen der ungünstigen Formulierung bezüglich Feststellung des Selbstverteidigungsrechts, zum anderen weil die Weitergabe des Kriegsmaterials durch den Drittstatt an einen weiteren Drittstaat nicht ausgeschlossen werde.

Die SP fordert deshalb, dass eine Lösung gefunden wird, die spezifisch der Ukraine dient, anstatt einer unnötigen Öffnung des KMG: Es gehe darum, eine zielgerichtete «Lex Ukraine» zu beschliessen, nicht darum, den Rüstungsstandort Schweiz zu fördern.

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