Politologe über Alain Berset: «Corona-Leaks haben andere Dimension»
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Corona-Leaks» bringen Bundesrat Alain Berset wieder unter Druck.
- Polit-Analyst Mark Balsiger spricht bei dieser Affäre von einer neuen Dimension.
- Seine Partei befinde sich nun im Wahljahr in einer «vertrackten Lage».
Rund um Bundesrat Alain Berset kehrt auch in seinem Präsidialjahr keine Ruhe ein – ganz im Gegenteil. Mit den Enthüllungen aus Mails von Ex-Kommunikationschef Peter Lauener giesst die «Schweiz am Wochenende» Benzin ins Feuer. Diese zeigen, dass Lauener regelmässigen Kontakt zu Ringier-CEO Marc Walder pflegte. Dabei habe er ihm auch im Voraus vertrauliche Informationen zukommen lassen – etwa zu den bevorstehenden Impfdeals mit Pfizer.
Wie bereits bei früheren Eklats lassen die Forderungen nach Bersets Rücktritt nicht lange auf sich warten. An vorderster Front skandiert die Junge SVP die Untragbarkeit des Bundesrats. Auch SVP-Nationalrat Alfred Heer sieht die Glaubwürdigkeit des Gesundheitsministers derart beschädigt, dass der Rücktritt die einzige Lösung sei.
In seiner Neujahrsansprache beschwor Bundespräsident Alain Berset noch die «Kultur des Dialogs». Doch bei Fragen rund um das Strafverfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung zieht er das Schweigen dem Reden vor. Wie auch seine Partei.
Polit-Analyst Mark Balsiger: «Alain Berset versucht, die Affäre auszusitzen»
Im Westschweizer Fernsehen sprach Berset von «recht skandalösen» und «illegalen Indiskretionen», die er aber nicht näher kommentieren wolle. Polit-Analyst Mark Balsiger kommentiert die Aussagen folgendermassen: «Dass es in seinem Departement regelmässig Indiskretionen gab – der Ringier-CEO exklusiv vorinformiert wurde – blendete er natürlich aus».
«Er wird versuchen, diese Affäre auszusitzen», so die Einschätzung des Experten. «Die Geschäftsprüfungskommissionen werden im Rahmen ihrer Untersuchung, die ja längst läuft, diesen neuen Fall röntgen.»
«Medien müssen kritisch beobachten und berichten»
«Es handelt sich sowohl um einen Fall Lauener als auch um einen Fall Walder», betont Polit-Analyst Balsiger. «Medien müssen kritisch beobachten und berichten, aber sich nicht mit einer Sache gemein machen. Das vergass Walder offensichtlich.»
Die Unabhängigkeit der Blick-Redaktion wurde bereits vor einem Jahr stark infrage gestellt. Damals sorgte ein geleaktes Video von Ringier-Chef Marc Walder für Aufsehen. Bei einer Ansprache liess er durchblicken, seinen Medien bei Corona-Themen einen regierungsfreundlichen Kurs vorgegeben zu haben: «Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.»
Corona-Leaks haben «andere Dimension» als frühere Berset-Affären
«Ob daraus auch ein Fall Berset wird, ist zurzeit offen. Er sagt, er wisse nichts von den Kontakten zwischen Lauener und Walder. Aber kraft seines Amtes steht er im Scheinwerferlicht.»
Alain Berset habe in den letzten Jahren zwar mehrere Affären überstanden. «Die Corona-Leaks haben eine andere Dimension, Berset verliert ihretwegen an Glaubwürdigkeit.»
Parteien werden die Affäre ausschlachten wollen
Auch die SP wählt das sprichwörtliche Gold des Schweigens. «Dass es in Bersets Departement wieder rumpelt, setzt die SP und den Gesundheitsminister unter Druck», erklärt der Polit-Analyst. Und in Wahljahren seien immer alle Parteien nervös. «Wir dürfen aber nicht ausblenden, dass verschiedene Akteure diese Affäre parteipolitisch ausschlachten wollen.»
Schaden die «Corona-Leaks» um Alain Berset und Peter Lauener der SP hinsichtlich der Wahlen 2023?
Aus SP-Sicht drohen nun zwei unangenehme Szenarien während des Wahljahres: Sie könnte mit einem stark angeschlagenen Bundesrat ins Rennen gehen – oder Alain Berset könnte zurücktreten.
«Es gibt immer eine juristische und eine moralische Beurteilung», gibt Balsiger zu bedenken. Klar sei allerdings: «Die SP bleibt bei beiden Optionen in einer vertrackten Lage.»