Rücktritt Berset: Ehre, wem Ehre gebührt
Hochgelobt oder verteufelt: Zurücktretende Bundesräte lösen Emotionen aus. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Reaktionen zum abtretenden Bundesrat Alain Berset waren absehbar.
- Haben Sie auch Hand und Fuss? Ein Kommentar.
Bundesratsrücktritte sind ja so eine Sache. Ah, Moment, es ist ja gar niemand zurückgetreten: Alain Berset tritt einfach nicht mehr zur Wahl an. Eine Sache ist es nichtsdestotrotz.
Denn, ganz egal, wer zurücktritt, die Gefühlslage scheint stets dieselbe zu sein. Als täglicher Berichterstatter bedauert man den Abgang eines zumeist angenehmen Interviewpartners. Oh, welch Mühsal, jetzt muss man sich demnächst an einen neuen Charakterkopf gewöhnen.
Gemeinsamkeiten
Die gemeinen Stimmbürgenden reagieren ebenso voraussehbar. Ob nun ein rechter Schlaumeier aus dem Züribiet oder ein linker Flügelspieler aus dem allerersten (und einzigen) Saanebezirk den Hut nimmt: Endlich! Sagen die einen. Weg mit ihm, wär er doch schon längst, sooo frech, dass der auch noch eine Rente bezieht! So gemein.
Die ungemein anderen loben die glorreichen Taten, danken für die geleistete Arbeit und finden bewundernde Worte für, in der Erinnerung geschönte, Anekdoten. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Man neigt in solchen Momenten dazu, viel zu vergessen. Das schliesst mich mit ein, was jetzt eventuell eine Wiederholung ist, wer weiss.
Irren ist menschlich – und bundesrätlich
Gerne vergisst man, dass auch ein Alain Berset oder ein Ueli Maurer einst neu im Amt waren. Dass es dann doch nicht so schlimm war mit der Angewöhnungsphase. Beziehungsweise, dass deren Vorgänger genauso «endlich weg» waren. Dass die Höhe der Bundesratsrente längst im Voraus festgelegt worden ist und nicht auf Uelis oder Alains Mist gewachsen ist.
Dass jeder Bundesrat ab und zu mal Abstimmungen gewinnt und wenn nicht, es garantiert die Schuld des Gesamtbundesrats, wenn nicht gar des Parlaments ist. Siiiicher. Dass jedes Mitglied der Landesregierung sehr viel Arbeit leistet. Oder umgekehrt, in den Worten des amtierenden Bundespräsidenten, niemand unersetzbar ist.
In dem Sinne hat mir eine der gesalbten Würdigungen gestern besonders gut gefallen. Denn sie sagt auch viel über das Schweizer Verständnis von Politik aus. «Ich bin überzeugt, auch mit seiner Nachfolge werden wir gut zusammenarbeiten.» Das hat nicht ein Linker, Netter oder Weichsinniger gesagt, sondern SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi.