So viel Ahnung hat das Parlament von Beziehung und Kindern
Wie alltäglich ist die Lebenssituation des frisch gewählten Parlaments? Wir haben den Zivilstand und den Kindersegen der Volksvertreter ausgewertet.
Das Wichtigste in Kürze
- Wie sieht es beim neu gewählten Parlament im Alltag aus?
- Nau.ch hat den Zivilstand und die Familienkonstellation aller Mitglieder ausgewertet.
Was das Parlament die nächsten vier Jahre entscheidet, wirkt sich auf unseren Alltag aus. Doch wie alltäglich ist die Lebenssituation der Parlamentarier im Vergleich zur Bevölkerung? Wissen Sie, wie es ist, als vier- oder fünfköpfige Familie zu leben und Steuern zu zahlen? Oder stimmt der Vorwurf – zum Beispiel vom Kita-Veband Kibesuisse – dass im Ständerat die Dringlichkeit von Lösungen nicht gerade in Fleisch und Blut übergegangen ist?
Geprüft: Politiker, die sich ewig binden
Beim Zivilstand zeigt sich: Ins neue Parlament wurden sehr viele Heiratsfreudige gewählt. Sogar ein Vertreter der «eingetragenen Partnerschaft» ist dabei, obwohl diese Kategorie landesweit kaum Sitzstärke erreichen würde. Einmal mehr leidet die Statistik ein wenig darunter, dass sehr viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier keine Angabe machen. Werden diese eliminiert, sieht die Politik-Welt aber rosig aus: Rund 90 Prozent sind verheiratet.
Keine Angabe zu machen, ist für die Bevölkerung keine Option. Auch die Kategorie «Partnerschaft» (lies: in einer festen Beziehung) ist steuertechnisch nicht relevant und darum den Ledigen zugeschlagen. Weil die Damen und Herren Parlamentarier eher älter sind, das BFS aber nur sehr weit gefasste Alterskategorien anbietet, haben wir die Parlaments-Daten von Smartvote auch mit einer extrapolierten Kategorie Ü30 verglichen.
Am «durchschnittlichsten» glänzen so einmal mehr SP und SVP. Die überwiegend katholische «Mitte» erweist sich als sehr überdurchschnittlich verheiratet, während die Grünliberalen der Devise «alles oder gar nichts» zu frönen scheinen. Fairerweise muss man sagen: Für die beiden grössten Parteien ist der Durchschnitt auch eher in Reichweite. Denn bei kleineren Fraktionen reichen ein, zwei Mitglieder mit anderem Zivilstand, um die Statistik bereits regenbogenfarbiger erscheinen zu lassen.
Kindersegen bei SVP
Böse Zungen behaupten ja, im Parlament gehe es bisweilen zu und her wie im Kindergarten. Offenbar wissen die dort Anwesenden ziemlich gut, wovon dann die Rede ist: Kinderkriegen ist bei Politikerinnen und Politikern beliebt. Auch hier kämpfen wir etwas mit der Statistik: Vor allem bei SVP und GLP will man nur bedingt zum eigenen Kinder-Status stehen. Oder hat gerade wegen dem Kinder-Status keine Zeit gehabt, diesen Teil des Smartvote-Fragebogens auch noch auszufüllen.
Beim BFS wird zudem nur eine Kategorie «drei oder mehr» geführt, während Smartvote die exakte Kinderzahl erfasst. Die Bundesstatistiker weisen zudem auch aus, wie viele Kinder Personen im Alter von 50-59 Jahren haben – wenn in der Regel also keine weiteren mehr dazukommen. In der Übersicht sieht man dann: Für einmal sind Grüne und allenfalls die FDP nahe am Puls der Bevölkerung.
Den Schnitt nach oben drücken dagegen die GLP, Mitte und SVP. Bei der Mitte hat man eher drei Kinder, bei den meisten anderen eher zwei. So oder so allemal genügend, um sich der Sorgen und Nöte in Sachen Kinderbetreuung bewusst zu sein?
Kinder zu haben ist nicht alles
Die Crux liegt hier wohl im Umstand, dass die Umstände während und nach der Umstandsmode-Zeit nicht ersichtlich sind. Ist die Parlamentarierin alleinerziehend, leben die fünf Politiker-Sprösslinge in einem Ein- oder Zweiverdiener-Haushalt? Auch das Alter der Kinder und die Alters-Spannbreite kann ausschlaggebend sein: Drei Kinder im Vorschulalter sind etwas anderes als deren fünf zwischen vier und 24.
Die Erfahrungswelten sind einmal mehr sehr divers. Umso mehr sollte es für jede Fragestellung rund ums Familienleben und dessen Finanzierung mindestens zwei Experten mit drei Meinungen haben. Wenn man sie denn fragen würde. Aber wahrscheinlich ist es wie immer im Parlament: Es werden höflich die eigenen Interessenbindungen deklariert – «ich war auch einmal ein Kind» – und gefolgert, dass man es selbst am besten weiss.
Sehr zuversichtlich stimmen mag uns der Umstand, dass erstaunlich viele der neu gewählten unbedingt angeben wollten, in einer Beziehung zu sein. Toll, oder? Politikerinnen und Politiker, die zu Gefühlen fähig sind und nicht nur sich selbst gern haben.