Sogar Bürgerliche haben Bedenken bei Anti-Terrorgesetz

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Amnesty Schweiz befürchtet eine Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das neue Anti-Terror-Gesetz. Mängel gebe es tatsächlich, bestätigen Parlamentarier.

Amnesty Anti-Terror
Amnesty Schweiz und andere NGOs warnen vor den neuen Anti-Terrorgesetzen. - Screenshot amnesty.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Amnesty Schweiz warnt vor den «drastischen Folgen» der Anti-Terror-Gesetze.
  • Auch im Parlament gibt es Bedenken, dass der Bundesrat übers Ziel hinausschiesst.
  • So seien Massnahmen allein aufgrund einer Vermutung wohl nicht mit der EMRK vereinbar.

Die Rechtskommission des Ständerats wird sich heute damit auseinandersetzen: mit den «Polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus». Doch diese sind enorm umstritten. Menschenrechtsorganisationen schlagen Alarm, dass das Gesetz viel zu weit gehe. Eine nicht ganz unbegründete Sorge, sagen selbst bürgerliche Parlamentarier.

Drohen Gesinnungsverbote?

Für FDP-Ständerat Andrea Caroni ist die Problematik nicht neu: «Grundsätzlich habe ich immer die Befürchtung, dass solche Anti-Terror-Vorlagen das Kind mit dem Bade ausschütten.» Lies: Mit mehr Sicherheit die Freiheit eingeschränkt wird und die Terroristen so einen Erfolg feiern. Nach ausführlichem Studium der Gesetzestexte kommt Caroni aber zum Schluss: «Diese Vorlage finde ich weitestgehend vertretbar.»

Anti-Terror-Übung am Hauptbahnhof Bremen
Eine Anti-Terror-Übung: Polizisten führen einen fiktiven Attentäter im Bremer Hauptbahnhof nach einen gespielten Anschlag ab. - dpa

Er attestiert den Behörden und dem Bundesrat, gut gearbeitet zu haben. «Man hat stark darauf geachtet, dass die blosse Gesinnung nicht sanktioniert wird. Es kann zum Beispiel grundsätzlich jemand eine IS-Fahne aufhängen. Das ist auch korrekt so, das muss eine offene Gesellschaft aushalten.»

Menschenrechte in Gefahr

Grundsätzlich und weitestgehend, aber in drei Punkten sieht Caroni trotzdem die Gefahr, dass man überbordet. Erstens könne der Bundesrat weiterhin gewisse Organisationen konkret verbieten und dort gelte dann aber auch ein Gesinnungsverbot. «Das geht mir zu weit», betont Caroni.

Andrea Caroni
FDP-Ständerat Andrea Caroni spricht während einer Debatte in der Sommersession 2019. - Keystone

Viel elementarer schein der zweite Punkt, der auch von Amnesty Schweiz kritisiert wird: Der Hausarrest. «Das ist eine präventive Haft gegen jemanden, der noch nie etwas Illegales gemacht hat. Man hat lediglich Hinweise, dass er es einmal tun könnte», erklärt Jurist Caroni. Eine reine Präventivhaft würde aber der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen.

«Dazu werde ich einen Antrag stellen», kündigt Caroni an. Ein dritter Punkt erscheint dagegen eher formaler Natur zu sein. «Die neue Terror-Strafnorm unterscheidet zwischen allgemeinen Gewaltverbrechern und Terroristen. Das ist inhaltlich unnötig und bringt den Strafrichter politisch in eine heikle Lage.»

Doch kein Polizeistaat

Sowohl Amnesty wie Caroni skizzieren Szenarien, in welchen Beschuldigte ihrer Verteidigungsmöglichkeiten beraubt werden. Amnesty interpretiert den Gesetzesvorschlag gar so, dass polizeiliche Massnahmen nach freiem Ermessen angeordnet werden könnten. Und das nur aufgrund einer vermuteten Absicht für eine Tat.

Ganz so «drastisch», wie es Amnesty nennt, sei die Lage dann doch wieder nicht, betont dagegen Caroni. Von «drastischen Gesetzen für den Anti-Terrorkampf» zu sprechen, hält er für übertrieben. «Ich habe viel Sympathie für deren Anliegen, aber das ist nun etwas gar heiss gekocht.»

Karin Keller-Suter
Bundesrätin Karin Keller-Sutter an der Pressekonferenz im Mai 2019 zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. - Keystone

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