Der Sozialpartner-Kompromiss für eine Reform der beruflichen Vorsorge verliert an Rückgrat. SP-Chef Christian Levrat warnt vor einem Scheitern des Dossiers.
«Spiel mit dem Feuer»: SP-Chef Christian Levrat warnt vor einem Scheitern des Sozialpartner-Kompromisses zur beruflichen Vorsorge.
«Spiel mit dem Feuer»: SP-Chef Christian Levrat warnt vor einem Scheitern des Sozialpartner-Kompromisses zur beruflichen Vorsorge. - sda - KEYSTONE/AA

Der Sozialpartner-Kompromiss für eine Reform der zweiten Säule verliert an Rückhalt. CVP-Präsident Gerhard Pfister beurteilt die Chancen des Vorschlags als «nicht sehr gross». Ein Scheitern würde SP-Chef Christian Levrat auch in anderen Dossiers Schaden anrichten.

Die beiden Parteichefs haben sich am Montag anlässlich der Drei-Königs-Veranstaltungen ihre Parteien zur Reform der beruflichen Vorsorge geäussert. Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten sich letztes Jahr auf eine Lösung geeinigt, die Rentenkürzungen und ein Bündel von Ausgleichsmassnahmen vorsieht.

Dieser so genannte Sozialpartner-Kompromiss ist derzeit in der Vernehmlassung. Der Gewerbeverband hatte sich von Anfang an dagegen gestellt, inzwischen sind weitere kritische Stimmen laut geworden. CVP-Präsident Pfister scheint den Kompromiss bereits abgeschrieben zu haben: «Es liegt nun am Parlament – an der CVP – eine mehrheitsfähige Lösung zu finden», sagte er vor Medienschaffenden.

Levrat will das nicht hinnehmen. Er zeigte sich tief besorgt darüber, dass Wirtschaft und Parteien den Sozialpartner in den Rücken fallen. Bisher hätten die politischen Kräfte ihren Segen gegeben, wenn zwischen den Sozialpartnern eine Einigung zu Stande gekommen sei, sagte er.

Die Entscheide des Ständerates zur Überbrückungsrente seien ein erster Bruch mit dieser Tradition gewesen. Die kleine Kammer hatte die Unterstützung für ältere Arbeitslose in der Wintersession zusammengestrichen. Auch dabei handelt es sich um eine Lösung der Sozialpartner.

Nun drohe das gleiche Szenario bei der beruflichen Vorsorge, warnte Levrat. Damit werde ein Grundprinzip der Konkordanzdemokratie in Frage gestellt. «Die Parteien spielen mit dem Feuer, wenn Kompromisse nicht mehr unterstützt werden.»

Die Folgen gehen laut Levrat über die Überbrückungsrente und die berufliche Vorsorge hinaus. Derzeit sind die Sozialpartner nämlich aufgerufen, eine Lösung im verfahrenen EU-Dossier zu finden. Eine Einigung beim Rahmenabkommen sei jedoch zu viel verlangt, wenn man ihnen gleichzeitig in den Rücken falle, sagte der SP-Präsident. So schwinde die Lust der Sozialpartner, Lösungen zu finden.

Bewegung beim Rahmenabkommen wird es aber ohnehin erst nach der Abstimmung über die Kündigungsinitiative der SVP geben. Gemäss einer am Wochenende publizierten Umfrage lehnen 58 Prozent das Volksbegehren ab. Levrat warnte jedoch davor, die Abstimmung deswegen auf die leichte Schulter zu nehmen. «Unterschätzen wir diese Initiative nicht!» Auch die Masseneinwanderungsinitiative sei in Umfragen zunächst auf Ablehnung gestossen.

Intensiv beschäftigen sich CVP und SP auch mit Gesundheitspolitik respektive den Kosten des Gesundheitswesens. Laut Pfister hat die CVP inzwischen 115'000 Unterschriften für ihre Initiative gesammelt, die eine Kostenbremse im Gesundheitswesen verlangt. Die SP hatte im Dezember vermeldet, ihre Prämien-Entlastungs-Initiative sei mit 117'000 Unterschriften zu Stande gekommen.

Beide Initiativen böten Gelegenheit für eine öffentliche Diskussion über die Kosten des Gesundheitswesens, sagte Levrat. Dass das Parlament für diese Probleme eine Lösung findet, glaubt er nicht. Dafür sei der Einfluss der Krankenkassen zu stark.

Am Wochenende hatte Pfister zudem eine neue Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe angekündigt. Anders als die Vorgänger-Initiative soll diese keine Ehedefinition enthalten. «Über das Kernanliegen, die Abschaffung der Heiratsstrafe, soll sich das Volk noch einmal äussern können», sagte Pfister. Lanciert werden soll die neue Initiative gegen Ende 2020.

Zuvor will die CVP-Parteispitze an einer neuen Strategie arbeiten. Die CVP habe die Wahlen nicht gewonnen, von den Bundesratsparteien bloss am wenigsten verloren, rief Pfister in Erinnerung. «Wir brauchen Reformen». Dazu gehört auch die Diskussion über das «C» im Parteinahmen. Derzeit läuft eine Analyse, ob und wie weit sich die CVP von ihren katholischen Wurzeln lösen soll.

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