SP kritisiert Ignazio Cassis nach Afrika-Besuch
Laut SP-Nationalrätin Samira Marti soll Bundesrat Ignazio Cassis falsche Aussagen zur kolonialistischen Vergangenheit der Schweiz gemacht haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesrat Cassis besuchte im Rahmen einer Reise verschiedene Länder Afrikas.
- Dabei dementierte er, dass die Schweiz in Sklavenhandel und Kolonialismus involviert war.
- Das sieht SP-Nationalrätin Samira Marti anders. Sie will Cassis Aussagen entgegenhalten.
In der «Samstagrundschau» im «SRF» Ende Februar gab Bundesrat Ignazio Cassis ein Interview. Der Aussenminister nahm Stellung zum Rahmenabkommen mit der EU, aber nicht nur. Cassis sprach auch kurz über seine Reise auf den afrikanischen Kontinent. Und das sorgt nun für Ärger im Parlament.
Der FDP-Bundesrat war zu Besuch in zahlreichen Ländern Nord- und Westafrikas. Fast alle afrikanischen Länder erholen sich noch heute von der jahrzehntelangen Ausbeutung von europäischen Kolonialmächten. Damit befasst sich das Departement für auswärtige Angelegenheiten – und will das wirtschaftliche Wachstum in diesen Regionen fördern.
Ignazio Cassis: Kolonialistische Schuld? Nicht in der Schweiz
Der SRF-Journalist stellte ihm dann die Frage, wie er als weisser, europäischer Minister mit der «kolonialistischen Schuld» umgegangen sei. Darauf antwortete Cassis: «Gut, wir haben wirklich das grosse Glück, dass wir nie eine Kolonialmacht waren.»
Aber die Schweiz sei doch im Sklavenhandel involviert gewesen, erwidert der Interviewer. «Nicht als Land. Es waren Schweizer Personen, es waren Schweizer Unternehmen. Aber das Land als solches, die Organe des Landes waren nicht involviert», behauptete Cassis darauf.
Mit einer Interpellation will SP-Nationalrätin Samira Marti (BL) aber dagegen halten. Ignazio Cassis' Aussagen seien falsch, und das mache sie schädlich. «Er reproduziert den Mythos, die Schweiz habe keine koloniale Vergangenheit. Obwohl die historische Forschung dies längstens widerlegt hat», erklärt sie auf Anfrage.
«Es gab durchaus staatliche Körperschaften der Eidgenossenschaft, die in die atlantische Sklaverei involviert waren: die alten Orte Zürich, Bern und Solothurn», schreibt Marti in einer Interpellation, die Nau.ch vorliegt. Diese Städte kauften gemäss Forschungen Aktien der «South Sea Company», einer Sklavenhandelsgesellschaft.
Bundesrat soll mehr über Kolonialismus und Sklaverei wissen
Die SP-Politikerin sieht Nachholbedarf im Kolonialwissen der Exekutive: «So wie wohl alle Bundesratsmitglieder wissen, dass die Erde eine Kugel ist, erwarte ich auch, dass sie Kenntnis über die schweizerische, historische Forschung zum Bereich Sklaverei und Kolonialismus haben.»
Ignazio Cassis besuchte nämlich auch die Île de Gorée. Dieser Besuch habe ihn aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds «zutiefst berührt» und «sehr beeindruckt». Die Insel habe während des transatlantischen Sklavenhandels als eine Art «Depot» von versklavten Menschen fungiert haben, so der Aussenminister im Interview.
Visite sur l'île de Gorée 🇸🇳 : témoignage d’un passé douloureux aujourd’hui devenu sanctuaire pour la réconciliation 🕊 pic.twitter.com/m0dCskwh8k
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) February 12, 2021
Laut Marti soll die Insel für den Sklavenhandel unbedeutend gewesen sein und heute vor allem touristischen Zwecken dienen.
«Ich frage mich halt, wenn nicht einmal die Mitglieder des Bundesrats auf dem aktuellen Stand der Dinge sind, wie soll eine öffentliche Auseinandersetzung über unsere koloniale Vergangenheit möglich sein?», fragt sie. Ihre Interpellation wird Marti am Montag einreichen, wie sie verrät.