SP will Volksentscheid für die Einbürgerung ab Geburt
Ein SP-Vorstoss zur einfacheren Einbürgerung ist im Nationalrat gescheitert. Nun hoffen sie auf eine Volksinitiative, die das «ius soli»-Prinzip einführt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SP forderte im Nationalrat die einfachere Einbürgerung von Ausländern.
- Erneut ist das Anliegen gescheitert, alle ausser rot-grün stimmten geschlossen dagegen.
- Die Bevölkerung soll aber bald über das Anliegen der Einbürgerung bei Geburt abstimmen.
Das Thema der Einbürgerung beschäftigt die Schweizer Politik schon lange. Wer hat Anspruch auf den Pass? Wie schnell soll man Personen, die in der Schweiz geboren sind, einbürgern? Zu dieser Frage wird sich die Bevölkerung bald äussern können.
Vorher versuchte es aber die SP-Fraktion im Nationalrat mit einer Initiative: «Schweizerin oder Schweizer ist, wer hier lebt.» Sie forderten das Anrecht auf Einbürgerung für Menschen «nach einer bestimmten Anzahl legaler Aufenthaltsjahre». Die Einbürgerung solle auf Bundesebene stattfinden, mit tieferen administrativen Hürden.
«Das sind unsere Kinder»
Verteidigt wurde das Anliegen von Cédric Wermuth (AG), Co-Präsident der SP, und Samira Marti (BL), Mitglied der Staatspolitischen Kommission. Für die Baselbieterin ist es «eine demokratiepolitische Schande», dass schon lange in der Schweiz lebende Ausländer keinen Schweizer Pass haben.
In anderen europäischen Ländern, so Marti im Nationalratssaal, wären es die allermeisten schon: «Das sind unsere Kinder, sie haben nie anderswo gelebt, sie kennen keine andere Realität.»
Die hohe Anzahl an ausländischen Personen sei keineswegs ein Zeichen gelungener Integration – sondern «ein grosses Alarmzeichen». Denn diese Personen könnten nicht abstimmen, nicht wählen, hätten nicht dieselben Rechte, auch im Sozialwesen nicht. Und trotzdem liessen sie sich nicht einbürgern, sagt Marti.
Dies, weil die «objektiven Kriterien», welche aktuell Integration definieren, nicht strikt angewendet würden. Im Gegenteil: In den Gemeinden werde viel Unnützes gefragt. «Warum muss meine Freundin in ihrer Einbürgerungskommission beweisen, dass sie weiss, wo die Offiziersgesellschaft am Samstag ihre Anlässe organisiert?», fragt sie ins Plenum.
Hoffnung auf «ius soli»-Initiative
Der Nationalrat folgte in der Abstimmung jedoch der Mehrheit der Kommission: Alle Fraktionen, mit Ausnahme von Grünen und SP, stimmten geschlossen gegen die Initiative. Die Gemeinden könnten am besten einschätzen, wer sich erfolgreich integriert habe und wer nicht, so ein Argument. Nur mit dieser Politik habe die «Ghettobildung» «relativ erfolgreich verhindert werden» können. Und allgemein existiere kein Rechtsanspruch auf das Schweizer Bürgerrecht.
«Die bürgerlichen Parteien wollen den vermeintlich exklusiven Club der Schweizerinnen und Schweizer möglichst behalten», ärgert sich Samira Marti gegenüber Nau.ch. Dabei profitierten alle, wenn sich mehr Menschen einbürgern liessen. Gerade für das Milizsystem sei der Gewinn von «vielen fähigen Köpfen» besonders gut.
Die SP-Politikerin hofft nun auf eine Volksinitiative, lanciert von der «Aktion Vierviertel». Diese will das Prinzip des «ius soli» in der Bundesverfassung verankern: Wer auf Schweizer Boden geboren wird, soll automatisch den Pass erhalten. Aber wäre die Stimmbevölkerung bereit für einen solch grossen Paradigmenwechsel?
«Alle kennen jemanden, der oder die im selben Spital geboren ist, dieselbe Schule besucht, aber noch nicht eingebürgert ist. Und darum wissen die Bürgerinnen und Bürger, warum das heutige System so absurd ist», ist sich Marti sicher. In dieser Hinsicht seien Herr und Frau Schweizer schon viel weiter als das Parlament, das solche Initiativen regelmässig ablehnt.
«Wir sind noch in der Erarbeitung der Initiative», bestätigt die «Aktion Vierviertel» auf Anfrage. Die Unterschriftensammlung soll frühestens im Frühjahr 2023 beginnen. Der Verein verspricht sich, so wie Samira Marti auch, gute Chancen. «Die Schweiz und viele Bürgerinnen und Bürger haben den Anspruch, eine Vierviertel-Demokratie zu sein.»