Stempelsteuer: Alt Bundesrat Merz greift in Abstimmungskampf ein
Der ehemalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz meldet sich im Abstimmungskampf zur Stempelsteuer zu Wort. Er sagt nun das Gegenteil von 2005.
Das Wichtigste in Kürze
- 2005 argumentierte der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz für die Stempelsteuer.
- Links-Grün nutzt sein Zitat im Abstimmungskampf.
- Nun meldet sich der Ex-Bundesrat persönlich zu Wort und relativiert seine Aussagen.
Für die Gegner der Abschaffung der Stempelsteuer – Linke, Grüne und Gewerkschaften – war es ein gefundenes Fressen. Ausgerechnet ein Vorgänger von Finanzminister Ueli Maurer hat sich vor anderthalb Jahrzehnten ebenfalls für den Erhalt der Stempelsteuer ausgesprochen. Noch dazu ein strammer Rechtsbürgerlicher: Hans-Rudolf Merz, der FDPler, der sich dereinst auch vehement gegen die Abschaffung des Bankgeheimnisses wehrte.
Gewerbeverband holt Hans-Rudolf Merz aus Versenkung
Seit seinem Rücktritt 2010 hat sich Merz kaum mehr öffentlich geäussert. Bis jetzt das Nein-Komitee eine bundesrätliche Antwort auf einen FDP-Vorstoss von 2005 ausgrub. Eingereicht hatte ihn der ehemalige Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer. Als Antwort schrieb im Namen des Bundesrats Finanzminister Merz genau das, was heuer etwa SP-Unternehmerin Jacqueline Badran ins Feld führt.
«Die Nutzniesser wären in erster Linie bei den multinationalen Unternehmen, den Banken, Versicherungen und Holdinggesellschaften zu suchen», formulierte Merz. Und: «Nicht aber bei den KMU» – was nun den Schweizerischen Gewerbeverband auf den Plan rief. Alt Bundesrat Merz setze sich sehr wohl für die Abschaffung der Emissionsabgabe ein. «Steuern sind nicht in Stein gemeisselt», lässt sich dieser nun zitieren.
Ungefragt zitiert: Persönlichkeitsrechte verletzt
«Ungefragt, mit Bild und Zitat» hätten die Gegner der Vorlage in Merz’ Namen Behauptungen verbreitet, schreibt der Gewerbeverband. Dies verletze dessen Persönlichkeitsrechte, sagt SGV-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi. Merz verweist auf die globale Unternehmensgewinnsteuer, mit der sich auch die Voraussetzungen für die Firmenbesteuerung in der Schweiz verändere. «Dies rechtfertigt die Abschaffung der Emissionsabgabe», ist er sich nun sicher.
Der Coup, einen altgedienten Finanzexperten einzuspannen, könnte auch nach hinten los gehen. Auch Linke und Grüne werden Merz recht geben, dass Steuern «je nach relevantem Hintergrund» betrachtet werden müssen. Dieser ist 2022 anders als noch 2005.
Auch ist es sicher lobenswert, als Politiker aufgrund neuer Voraussetzungen seine Meinung zu ändern. Es entsteht allerdings der Eindruck, die Linke habe mit dem Merz-Zitat lediglich die Angel ausgeworfen. Und der Gewerbeverband hat angebissen.
Merz liefert Argumente für Stempelsteuer
Statt die Sache auf sich beruhen zu lassen, richtet sich das Scheinwerferlicht nun erst recht auf die damalige Debatte. Nebst der schriftlichen Antwort auf den Antrag, die Stempelsteuer abzuschaffen, äusserte sich Hans-Rudolf Merz auch am Rednerpult.
Er betonte, er sei zwar auch nicht begeistert von der Stempelsteuer. Er zählt aber auch eine Reihe von Punkten auf, die sich wie das Argumentarium der Stempelsteuer-Befürworter lesen.
So seien ein paar wenige Grossunternehmen für bis zu 80 Prozent der Einnahmen verantwortlich, also nicht die KMU. Mit bescheidenem administrativem Aufwand nehme man über 200 Millionen Franken jährlich ein, so Sparfuchs Merz anno 2005. Der Steuersatz sei ja lediglich 1 Prozent und die Freigrenze bei 1 Million Franken. Mit zusätzlichen Ausnahmebestimmungen seien Tausende von Unternehmen von der Abgabe befreit.
Gut möglich, dass 16 Jahre später Hans-Rudolf Merz einige dieser Punkte im Hinblick auf veränderte relevante Hintergründe anders beurteilt. Damals kam er allerdings zum Schluss: «Es ist unrealistisch zu glauben, dass die geforderte Massnahme zu einer wirklich spürbaren Verbesserung des Wachstumspotenzials unserer Wirtschaft führen würde.»