Selenskyj spricht zum Parlament – «Danke liebe Schweiz»
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankt in seiner Rede der Schweiz «für jedes Sanktionspaket, die seinem Land helfen, sich vom Terror zu befreien.»
Das Wichtigste in Kürze
- Wolodymyr Selenskyj spricht vor dem Schweizer Parlament.
- Er zeigt sich in der Rede dankbar für die Bemühungen der Schweiz, der Ukraine zu helfen.
- Die SVP wehrte sich bereits im Vorfeld dagegen und bleibt dem Auftritt fern.
Videoansprachen gehören seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine zum aussenpolitischen Repertoire Wolodymyr Selenskyjs. Am heutigen Donnerstag spricht der Präsident zum Schweizer Parlament.
Während der Saal im Vorfeld noch praktisch leer ist, sind die Pressetribünen übervoll. Ratsmitglieder reagieren spöttisch, andere leicht pikiert: Kaum spricht ein ausländischer Staatsmann, interessiert man sich plötzlich für Politik. Doch bis zum Beginn von Selenskyjs Rede um 14 Uhr hat sich der Saal doch noch gut gefüllt.
Eine Rede eines ausländischen Staatsoberhaupts vor dem Schweizer Parlament kommt nur äusserst selten vor. In den letzten 50 Jahren war dies nur acht Mal der Fall.
Nationalratspräsident Martin Candinas begrüsst den ukrainischen Präsidenten. Er verurteilt den Angriff Russland bei seiner Ansprache aufs Schärfste. «Sehr geehrter Herr Präsident, wir bewundern die Tapferkeit, den Mut und die Standfestigkeit, mit der sich die Ukrainerinnen und Ukrainer gegen den russischen Aggressor zur Wehr setzen», wandte sich Candinas an den Gast. Die Werte, für die sie ihr Leben aufs Spiel setzten, seien auch die Werte der Schweiz.
«Ukraine ist Territorium des Friedens»
«Mein liebes Schweizer Volk: Was ist der Kern der Werte, die wir teilen? Das ist der Frieden», spricht Wolodymyr Selenskyj nicht nur die Parlamentarierinnen und Parlamentarier an. «Und sogar jetzt ist der ukrainische Boden ein Territorium des Friedens. Denn die Quellen dieser Aggression und dieses Krieges liegen ausserhalb unserer Grenzen.»
Der Präsident spricht über das Leid des ukrainischen Volkes. Der ukrainische Präsident verwies auf die Drohnen- und Raketenangriffe auf zivile Ziele in seinem Land, etwa auf Schulen oder Lebensmittelmärkte. Russland habe den Kachowka-Staudamm gesprengt, es handle sich um eine menschengemachte Katastrophe. Zudem benutzten die Russen das AKW Saporischschja in zynischer Weise als Schutzschild.
Selenskyj dankt der Schweiz
Selenskyj dankte in seiner Ansprache im Nationalratssaal für jedes Sanktionspaket, die Vermögenssperren und für jede Waffeneinheit, die seinem Land helfe, sich vom Terror zu befreien. «Ich danke Dir, liebe Schweiz, dafür, dass Du nicht gleichgültig gegenüber dem Leid unseres Volkes geblieben bist.» Wer die Ukraine unterstützen, beschütze die Welt vor dem Krieg.
Er wisse um die Diskussionen um die Wiederausfuhr von Waffen, sagte er. Doch nicht die Ukraine sei die Quelle der Aggression, und sie sei keine Konfliktzone. Gegen die russische Aggression könne man nur gemeinsam antreten. In diesem Sinne nutzte er die Gelegenheit, um an die Bitte seines Landes um Waffen.
Die Schweiz lud er ausserdem ein, einen globalen Friedensgipfel durchzuführen und dort federführend zu sein, wo sie ihre nationale Expertise am besten einsetzen könne.
Während seiner Ansprache hatte im Saal Stille geherrscht. Selenskyjs Worte verdankte die anwesenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit einer anhaltenden Standing Ovation.
SVP bleibt dem Auftritt fern
Die SVP sieht den Auftritt kritisch und bleibt diesem deshalb demonstrativ fern. Fraktionschef Thomas Aeschi versuchte im Ratsbüro mit einem Antrag den Auftritt gar zu verhindern. Der Zuger Nationalrat warf der Ukraine vor, diese versuche, direkt Einfluss auf Parlamentsentscheide zu nehmen. Dies sei nicht mit der Neutralität der Schweiz zu vereinen.
Ein einzelner SVPler wurde gesichtet: Der ehemalige Nationalratspräsident und Aussenpolitiker Andreas Aebi. Doch er schaut nur kurz vorbei, obwohl ihn ein Ratsweibel am Verlassen des Saals hindern will. Dies sei jetzt nicht mehr möglich, gestikuliert er – doch das stellt sich als Scherz heraus.
Es ist nicht die erste Videoansprache Selenskyjs vor einem Schweizer Publikum. Bereits im März 2022 – wenige Wochen nach Kriegsbeginn – hatte der ukrainische Präsident zu Teilnehmenden einer Friedensdemonstration auf dem Berner Bundesplatz gesprochen. Bei der Kundgebung im vergangenen Jahr war Selenskyj vom Schweizer Aussenminister und damaligen Bundespräsidenten Ignazio Cassis begrüsst worden. Der FDP-Magistrat hatte Selenskyj dabei als «seinen Freund» bezeichnet.