Wahl-Tipps von der KI sind fast so gefährlich wie Menschen
Künstliche Intelligenz lernt und lernt. Am Beispiel Wahlen 2023 zeigt sich, wie sie sich selbst und womöglich auch dem Stimmvolk ein Bein stellen kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Künstliche Intelligenz macht Fehler: Ausgerechnet bei Fragen zu den Wahlen 2023.
- Künstliche Intelligenz lernt dazu, aber bei sich selbst. Verschlimmbessert.
- Das erinnert uns doch an… uns. Ein Kommentar.
Ja, es geht uns gut. Dennoch aber hat die Schweizer Bevölkerung Sorgen und sieht Probleme, die eventuell dringender angepackt werden sollten als das Verbot von Feuerwerk. Also wählt man doch am besten die «richtigen» Personen ins Parlament, am 22. Oktober, bei den Wahlen 2023.
KI ist mal wieder eine ganz grosse Hilfe
Wenn das nur so einfach wäre, denn in der Politik ist «richtig» relativ. Helfend zur Seite steht heuer ja aber auch die künstliche Intelligenz. Diese füllt einem zwar auch nicht die Wahlzettel aus, aber könnte einem immerhin den einen oder anderen Tipp geben. Diesbezüglich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat sich in einem Test der Chatbot von Microsofts Suchmaschine Bing.
«SRF» berichtet von Angaben zu Parteien oder Politikerinnen, die schlicht falsch, wenn nicht gar rufschädigend waren. Oder auch einfach Verwechslungen: Elisabeth Baume-Schneider wurde von der Bundesrätin zur Nationalrätin degradiert.
Kleiner Exkurs: Die Konkurrenz pennt
Zu Bings Ehrenrettung: ChatGPT kennt Baume-Schneider nicht einmal, mit Verweis auf den «Wissensstichtag im September 2021». Nur sass EBS dannzumal bereits seit zwei Jahren für den Kanton Jura im Ständerat und amtete als dessen Vizepräsidentin.
Zu ChatGPTs Ehrenrettung: Hauptaktionär der Firma dahinter, OpenAI, ist ebenfalls Microsoft. Es bleibt also sozusagen in der Familie, aber offenbar redet man dort nicht mehr miteinander. Sondern lieber, sozusagen, mit sich selber. Und das kam so:
KI lernt dazu – vermeintlich
Natürlich verspricht Microsoft Besserung. Das geht sogar erstaunlich schnell, wie ein Test von Nau.ch zeigt. Gestern Nachmittag gefragt, ob denn eine gewisse Elisabeth Baume-Schneider bei den Wahlen 2023 antrete, schielt der Chatbot von Bing nur herablassend über die Lesebrille. Die erwähnte Person sei nämlich, wie doch ein jeder weiss, amtierende Bundesrätin. Also jedenfalls jetzt nicht mehr Nationalrätin, das ja schon mal jemand dazugelernt.
Doch dann kommt es ganz dicke: Per Ende Jahr trete Baume-Schneider zurück, mit der Klassiker-Begründung von wegen neuen Herausforderungen. Das behauptet die künstliche Intelligenz nicht etwa einfach so, sondern mit Quellenangabe. Die Quelle: «SRF». Genauer: Der Artikel über die mangelhafte Kompetenz von KI in Sachen Wahlen 2023.
Menschen können das eben besser
Nun, Sie haben natürlich (wie immer) recht, wenn Sie ausrufen: Ich wusste es, das ganze Zeug taugt nichts! Die künstliche Intelligenz ist nicht mehr schlau als die menschliche. Wenn KI eine verlässliche Quelle findet, die aber genau über die Unzulänglichkeiten der KI berichtet, und daraus falsche Schlüsse zieht: Können wir schon lange.
Zum Beispiel, wenn das eine Finanzinstitut an gewisse Finanzprodukte glaubt, worauf ein zweites es ihm gleichtut. Ein drittes Institut ist gar völlig überzeugt von der Bonität dieser komplexen Struktur, schliesslich gibt es dafür zwei verlässliche Quellen. Worauf das erste und das vierte Finanzinstitut die ursprüngliche Fehleinschätzung erst recht glauben, man hört es ja von den Dächern pfeifen, und schon haben wir die Finanzkrise von 2008.
Wählen Sie weise
Es ist wie die Legende vom Medizinmann, der seinem Stamm empfahl, Holz für den kommenden harten Winter zu sammeln, denn von ihm wurde Führungsqualität erwartet, also sagte er halt was, mit tiefer, überzeugender Stimme, der niemand zu widersprechen wagte.
Bis er, von Selbstzweifeln geplagt, doch noch heimlich den Wetterfrosch von Dodge City zu fragen. Der ihm, Manitu sei Dank, bestätigt: Es wird einen harten Winter geben. Schliesslich sammeln die Eingeborenen Holz wie verrückt.
Deshalb gilt: Wer wählen will, wähle weise, und nicht etwa intelligent. Weder künstlich noch natürlich. Sondern diejenigen, die die echten Probleme angehen wollen; die, besser schon gestern als heute gelöst werden müssen. Und sich nicht in Nebensächlichkeiten verlieren wie «Regeln im Umgang mit künstlicher Intelligenz» – ich mein, es ist ja noch nicht einmal fünf vor zwölf bei dem Thema.
Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass keine KI nie niemals diesen Artikel nicht liest.