«Wirtschaftsführer werden im Leutschenbach vergöttert»
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss einer Studie bezeichnet sich ein Grossteil der (SRG-)Journalisten als links.
- SP-Politiker Cédric Wermuth findet das völligen Unsinn. Vielmehr betreibe die SRG millionenschwere und gebührenfinanzierte Propaganda für das neoliberale Wirtschaftsprogramm.
- Die Journalisten seien nicht links, sondern würden meist den Grünliberalen nahe stehen.
Nau: Herr Wermuth, Sie sind in den letzten Jahren immer wieder mit scharfer
Kritik am angeblich rechten SRF aufgefallen. Nun beweist eine Studie das
Gegenteil (Nau berichtete).
Cédric Wermuth: Nichts ist damit bewiesen! Die Berichterstattung über die Studie ist sehr
fragwürdig. Ein Journalist ist doch nicht links, wenn er sich auf einer Skala
von 1 bis 10 bei 4 verordnet. Andere Studien zeigen, dass
sich die Journalisten der SRG nicht wesentlich von jenen in den Privatmedien
unterscheiden, was die politische Haltung angeht. Die Chefredaktoren stehen
allerdings ziemlich überall deutlich rechts. Das wirkt sich stark auf die Inhalte
aus. Vergleicht man die Polit-Berichterstattung der
SRG in der Deutschschweiz mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern wird klar:
Nirgends in Europa ist sie rechter als bei uns.
Linke Journalisten machen also rechtes TV. Das ist absurd.
Entscheidend ist die Themensetzung. Kaum verabschiedet die SVP ein neues
Positionspapier zu Flüchtlingen oder radikalen Islamisten, gibt es vier
Rundschau-Beiträge, eine Sonder-Arena und zwei Clubs dazu. Das würde in Deutschland
so nicht passieren, weil die Sendungsmacher viel deutlicher grundsätzliche
Haltungen einnehmen. Ich würde sogar sagen: Die Schweizer Medien waren
Vorreiter darin, die extremen Rechten salonfähig zu machen.
So oder so: Ihre Seite erhält immer die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge
darzulegen.
Mir scheint, es gibt deutliche Unterschiede zwischen den SRG-Medien und den
einzelnen Sendegefässen. Grundsätzlich aber fristen zum Beispiel soziale Fragen
oder ökonomische Ungleichheit ein Mauerblümchendasein bei der SRG. Keine Woche
vergeht aber, ohne dass Migration, Flüchtlinge oder die Islamdebatte zu einem
grossen Problem gemacht werden. Die No-Billag-Initiative und die
SVP-Dauerkritik haben dazu geführt, dass sich die SRG so stark wie möglich von
linken Positionen abzugrenzen versucht. Aber im wirtschaftlichen Bereich ist
die Berichterstattung von SRF tatsächlich von neoliberaler Ideologie
durchtränkt.
Können Sie diese Behauptung untermauern?
Die sogenannten «Wirtschaftsführer» werden im Leutschenbach geradezu
vergöttert. Peinlich sind etwa die unerträglichen Live-Sendungen vom WEF in
Davos oder dem Swiss Economic Forum in Interlaken. Reine
Hofberichterstattungen, millionenschwere Propaganda für das neoliberale
Wirtschaftsprogramm – gebührenfinanziert. Eine auch nur annähernd ähnliche
intensive Berichterstattung von Gewerkschaftskongressen oder Sozialforen gibt
es nicht.
Noch einmal: Ihre Einschätzung widerspricht diametral der «linken»
Selbsteinschätzung der Journalisten.
Das hat damit zu tun, dass sich die allgemeine Wahrnehmung verschoben hat. Vieles
was heute bereits als links gilt, hatte vor ein paar Jahren noch problemlos
unter dem Titel «liberal» oder «bürgerlich» Platz. Heute denken viele, es sei
bereits links, wenn man sich für das Recht auf Asyl oder den Rechtsstaat einsetzt.
Das heisst die Journalisten glauben nur, sie seien links?
Die meisten Journalisten, die ich kenne, stehen inhaltlich den
Grünliberalen am nächsten. Das ist auch der Grund, warum diese Partei medial so
präsent ist, obwohl sie einen sehr kleinen Wähleranteil hat.