Wuchtige Nein zu Agrarinitiativen entlang des Links-Rechts-Grabens
Das Nein zu den beiden Landwirtschaftsinitiativen hat weder Gegner noch Befürworter überrascht.
Das Wichtigste in Kürze
- Beide Landwirtschaftsinitiativen werden vom Volk nicht angenommen.
- Das Resultat überrascht nicht wirklich niemanden.
- Befürworter sehen in der Niederlage trotzdem einen Erfolg.
Beide Seiten wollen dennoch künftig den Pestizideinsatz reduzieren. Für die Gegner waren die Initiativen zu extrem. Die Befürworter haben nach eigenen Angaben das Bewusstsein in der breiten Bevölkerung geweckt. Sehr zufrieden über das deutliche Nein zeigte sich auf Anfrage Markus Ritter.
Der Präsident des Schweizer Bauernverbandes erklärte, die Stimmbevölkerung habe damit der Landwirtschaft in der Schweiz eine Perspektive geben wollen.
Der St. Galler Mitte-Nationalrat sagte, er schätze das damit ausgesprochene Vertrauen von Konsumentinnen und Konsumenten in die Arbeit der Bauernfamilien. Die Stimmenden hätten die regionale Produktion nicht schwächen wollen und sich dafür ausgesprochen, dass die ganze Breite von Lebensmitteln von Bio bis konventionell produziert werde. Die Schweizer Landwirtschaft sei gewillt, Verbesserungen beim Pestizideinsatz voranzutreiben.
Befürworter wollen weiterkämpfen
Umwelt- und Naturschutzorganisationen sehen mit der Ablehnung der beiden Landwirtschaftsinitiativen kein Problem gelöst. Sie setzen auf Dialog mit der Landwirtschaft, um nun gemeinsam Lösungen zu finden, wie Philipp Sicher, Leiter der 2xJa-Kampagne auf Anfrage sagte.
Er habe ganz klar mit einer besseren Resonanz der beiden Initiativen bei der Stimmbevölkerung gerechnet, sagte Sicher. Im Abstimmungskampf seien von den Gegnern Ängste über die Versorgungssicherheit, die Existenz von Bauern und steigende Lebensmittelpreise geschürt worden. Die Kampagne sei zudem von der Agrarindustrie stark finanziert worden. Von Seiten der Landwirtschaft seien sehr viele Zusagen gemacht worden. Diese werde man nun prüfen.
Für den Präsidenten der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB), Kilian Baumann, ist der Ausgang der Abstimmungen über die beiden Landwirtschaftinitiativen absehbar gewesen. Die Initiativen hätten den Finger auf wunde Punkte in der Schweizer Landwirtschaft gelegt.
Der Nationalrat der Grünen (BE) erklärte der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass es nicht das Ziel der Initiativen gewesen sei, der Landwirtschaft zu schaden. Im Abstimmungskampf mit einem David-gegen-Goliath-Szenario habe dies aber offenbar zu wenig kommuniziert werden können. Die Gegenkampagne der Agrarkonzerne sei zu stark gewesen.
Trinkwasser geht deutlich unter
Die Gegner der Trinkwasserinitiative haben, laut der Initiantin der Trinkwasserinitiative Franziska Herren, die Initiative im Abstimmungskampf als extrem dargestellt. Sie bedauere es sehr, dass die Volksinitiative an der Urne abgelehnt worden sei, erklärte Franziska Herren auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Trinkwasserinitiative habe Chancen und Lösungen für die grossen Problembereiche der heutigen Landwirtschaft angeboten, indem sie Subventionen, Investitionshilfen, Forschung und Bildung in eine nachhaltige Produktion habe umlenken wollen. Erstmals sei von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen worden, dass die Landwirtschaft trotz Milliarden-Subventionen weder ihre Umwelt- und Klimaziele erreiche noch die geltenden Gewässerschutzgesetze einhalte.
Die Klimastreik-Bewegung ist enttäuscht über das Nein der Stimmbevölkerung zur Pestizidinitiative. Pestizide seien klimaschädlich und Betriebe, die diese herstellten, gehörten zu den grössten Klimasündern, erklärte der Klimastreik-Aktivist Cyrill Hermann.
Wirtschaftsverbände zufrieden
«Die Bevölkerung will keine Extremlösungen. Das Abstimmungsergebnis zu den Landwirtschaftsinitiativen zeigt, dass die Bevölkerung mit dem eingeschlagenen Weg einverstanden ist», erklärte Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder. Eine Annahme der Initiativen hätte aber weit über die Landwirtschaft hinaus verschiedene Branchen und Industrie betroffen.
Der Wirtschaftsverband Scienceindustries zeigte sich erfreut über die deutliche Ablehnung der beiden «extremen Agrarinitiativen». Bei den Pflanzenschutzmitteln seien nun Politik und Verwaltung gefordert Taten folgen zu lassen und die zurzeit blockierten Zulassungsprozesse auf eine wissenschaftliche Basis zurückzuführen.
Der Agrochemiekonzern Syngenta betonte in einer Stellungnahme, dass das Abstimmungsresultat ein wichtiges Zeichen für den Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz sei. Der Konzern setze mit seinen Schweizer Wurzeln setze sich für eine nachhaltige Landwirtschaft sein.
Erfolg für die Bürgerlichen
Die bürgerlichen Parteien sind zufrieden mit dem doppelten Nein zu den Landwirtschaftsinitiativen. Sie verweisen darauf, dass das Parlament bereits mit dem Aktionsplan Pflanzenschutz wichtige Weichen für die Zukunft gestellt hat.
Enttäuscht über die beiden Nein zur Trinkwasser- und Pestizidinitiative haben sich SP Schweiz und Grüne gezeigt. Positiv gewertet wird allerdings, dass das Problembewusstsein in der breiten Öffentlichkeit durch die Initiativen gestiegen sei.
Die Grüne Partei sei voll hinter den Initiativen gestanden, sagte Kilian Baumann, Nationalrat der Grünen (BE). Der Partei sei klar, dass es nicht nur eine grosse Klimakrise, sondern auch eine grosse Biodiversitätskrise gebe.
Die Grünliberalen bedauerten das Nein zur Trinkwasserinitiative. Auch Gegner der beiden Initiativen könnten die grossen ökologischen Probleme nicht wirklich bestreiten. Das Ziel bleibe es, die Überdüngung zu beenden.