Zoff ums Ständemehr eskaliert nach KVI-Nein

Das Ständemehr entscheidet über das Scheitern der Konzernverantwortungs-Initiative. Nun wird die Forderung nach der Abschaffung des Ständemehrs laut.

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Die Konzernverantwortungsinitiative wird wegen dem Ständemehr abgelehnt. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die KVI wird durch Volksmehr angenommen, aber von den Kantonen abgelehnt.
  • Auf Twitter ist eine Diskussion über den Sinn des Ständemehrs entbrannt.

Das Ständemehr: Höchst umstritten und bei der Abstimmung vom Sonntag auch Match-entscheidend. Denn das Volk stimmte zwar am Sonntag mit einer Mehrheit von 50,7 Prozent für die Konzernverantwortungs-Initiative. Von den Kantonen waren aber nur achteinhalb dafür.

Somit haben die Kantone erstmals seit 65 Jahren eine Volksinitiative versenkt, welche vom Volk angenommen wurde. Und das sorgt bei den Verlierern für mächtigen Stunk.

«Das Ständemehr gehört auf den Müllhaufen der Geschichte», findet etwa Juso-Präsidentin Ronja Jansen.

Und SP-Nationalrat Fabian Molina wirft in die Runde: «Wir brauchen eine Verfassungsreform, die dem Stadt-Land-Graben Rechnung trägt.» Versehen mit dem Hashtag: #SonderbundskriegWarGesternSchonVorbei.

Undemokratisch sei, dass ein Appenzeller 43 Mal mehr Gewicht habe als ein Zürcher, schreibt SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Er verlangt: «Eine Person, eine Stimme».

Der ehemalige Grünen-Nationalrat Jo Lang fordert: «Minderheiten schützen heisst Ständemehr abschaffen!»

7,9 Prozent der Bevölkerung bereits acht Ständestimmen

Die Politiker erhalten prominente Unterstützung aus der Wissenschaft. So schreibt der Historiker der Universität Zürich, Philipp Sarasin: «Das Ständemehr sabotiert die Demokratie und blockiert die Schweiz.» Acht Kantone mit 7,9 Prozent der Bevölkerung würden bereits knapp ein Drittel der Ständestimmen auf sich vereinen: «Ein durch nichts zu rechtfertigendes Gewicht.»

Andere Lösungen für Minderheitenschutz

Dass es auch andere Lösungsansätze gäbe, darauf weist Polit-Analytiker Claude Longchamp hin. «Bevor die Diskussion zum Ständemehr in der maximalen Polarisierung endet: Es gibt zahlreiche Modelle für abgeschwächte Verfahren, die dem Kantons- oder Minderheitenschutz Rechnung tragen.»

Das Ständemehr als Instrument zum Schutze der Minderheiten – sprich der kleinen Kantone – gibt es seit der Staatsgründung 1848. Es wurde als Mittel des Föderalismus eingeführt, damit alle Gliedstaaten der Schweiz gleich sind.

Stände müssten über Ständemehr entscheiden

Laut diverser Studien nützt das Ständemehr heute den kleineren Landkantonen in der Inner- und Ostschweiz noch immer. «Benachteiligt» werden neben den «Grossen» Zürich und Bern auch die urbanen Zentren sowie die Romandie. Kein Wunder also, dass bei einer Nachwahlbefragung von Tamedia sich rund die Hälfte der Schweizer Stimmberechtigten gegen das Ständemehr aussprechen.

Um dies zu ändern, bräuchte es jedoch eine Verfassungsänderung, die dem Volk unterbreitet werden muss. Und diese würde höchstwahrscheinlich wiederum am Ständemehr scheitern.

Darum bleibt es vorläufig dabei: Jeder der 20 Kantone hat eine Standes-Stimme, die 6 Halbkantone je eine halbe. Für ein Ständemehr braucht es also mindestens 12 Standes-Stimmen.

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