Zürcher sind dafür: Genderstern wäre schweizweit wohl «chancenlos»
Die Stadtzürcher Bevölkerung hat die SVP-Initiative gegen den Genderstern abgelehnt. Dieses Szenario ist auf nationaler Ebene schwer vorstellbar.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Stadtzürcher Initiative, die den Genderstern streichen wollte, scheiterte am Sonntag.
- Schweizweit dürfte das Sonderzeichen etwas weniger Unterstützung geniessen.
- In Bundesbern ist man sich einig: Die Frage stellt derzeit national keine Priorität dar.
Nicht nur national, sondern auch in den Regionen wurde am Wochenende abgestimmt. Eine Vorlage, die für besonders viel Aufsehen sorgte, war die «Tschüss Genderstern»-Initiative in der Stadt Zürich. Die SVP und ihre Co-Präsidentin Susanne Brunner wollten damit der Stadtverwaltung verbieten, das Sonderzeichen zu verwenden.
Allerdings kam die Sünneli-Partei im links-grün dominierten Zürich nicht durch. Das Begehren scheiterte mit über 57 Prozent Nein-Stimmen an der Urne. Oder anders gesagt: Die Mehrheit der Stadtzürcher*innen sprach sich für den Genderstern aus.
Man kann sich die Frage stellen: Hat diese Abstimmung nun Symbolwirkung für die gesamte Schweiz?
Bund verzichtet bisher auf Genderstern
Der Bund erlaubt den Genderstern nämlich bisher nicht, wie in seinem Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache nachzulesen ist. Stattdessen setzt man beispielsweise auf Paarformen wie «Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» oder neutrale Formulierungen wie «Stimmberechtigte».
Der schweizweite Genderstern dürfte so schnell aber nicht am sprachlichen Himmel auftauchen. National hätte es das Zeichen vor dem Stimmvolk wohl deutlich schwerer.
Politologe: Symbolwirkung wohl auf andere linke Städte beschränkt
«Den Genderstern als Sprachregelung vorzuschreiben, ist sicher chancenlos», sagt Oliver Strijbis gegenüber Nau.ch. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Franklin University Switzerland.
Allerdings sei es etwas ganz anderes, ob man darüber abstimmt, das Zeichen vorzuschreiben oder zu verbieten. In Zürich war ja letzteres der Fall. Sprich: Man hat eine Initiative abgelehnt, die den Genderstern verbieten wollte.
Strijbis hält eine nationale Abstimmung jedenfalls für wenig sinnvoll. Er erklärt: «Die Einführung des Gendersterns ist chancenlos. Und ihn zu verbieten wäre ja reine Symbolpolitik, da er in öffentlicher Kommunikation auf nationaler Ebene gar nicht verbreitet ist.»
Aus der Sicht des Experten ist es auch «unrealistisch», dass der Bund nun nachzieht und seine Sprachregelung anpasst. Ansonsten dürfte die Symbolwirkung der Zürcher Abstimmung wohl auf bestimmte Regionen beschränkt sein: «Es könnte anderen linken Städten die Angst davor nehmen, stärker auf genderinklusive Sprache zu setzen.»
Zürcher FDP-Präsident: Resultat ist «unglücklich»
Ähnlich beurteilt es der Präsident der FDP Stadt Zürich, Përparim Avdili. Gegenüber Nau.ch sagt er: «Gewisse Kreise werden das Resultat nun sicher zum Anlass nehmen, das Thema voranzutreiben. Gerade in den links dominierten Städten.»
Das Ergebnis sei in diesem Sinne «unglücklich». Aus der Sicht von Avdili war der Abstimmungskampf eher von Identitätspolitik als von einer sachlichen Diskussion geprägt. «Ich glaube, dass eine Mehrheit dagegen ist, dass die Stadt ihren Mitarbeitenden den Genderstern aufzwingt», so Avdili. Eine Verbotsvorlage wie diejenige der SVP konnte dies aber nicht ausnutzen.
Dass das Sonderzeichen national erfolgreich sein würde, glaubt Avdili derweil nicht. «Schon im Kanton Zürich wäre der Genderstern wohl chancenlos.»
SP-Widmer: Nationale Genderstern-Frage stellt sich aktuell nicht
Wie beurteilt man in Bundesbern das Abstimmungsresultat? Soll man in dieser Frage jetzt auch national vorwärts machen?
Die Zürcher SP-Nationalrätin Céline Widmer zeigt sich gegenüber Nau.ch zufrieden mit dem Abstimmungsresultat. «Ich bin erfreut, dass die klare Mehrheit der Zürcher Stimmberechtigten der Stadtverwaltung nicht verbieten will, den Genderstern zu benutzen.»
Da es um ein internes Reglement gegangen sei, hätte es aus ihrer Sicht nicht zwingend eine Abstimmung gebraucht.
Zu einer möglichen schweizweiten Einführung des Gendersterns sagt die Sozialdemokratin: «Auf nationaler Ebene stellt sich die Frage für mich im Moment überhaupt nicht.»
Mitte-Stadler: Genderstern-Diskussion ist «unnötig»
Der Urner Mitte-Nationalrat Simon Stadler sagt zur Abstimmung: «Es ist ein Volksentscheid der Stadt Zürich. Daraus den Puls der Schweizer Bevölkerung abzuleiten, wäre vermessen.» Er glaube nicht, dass eine nationale Initiative für den Genderstern Erfolg hätte.
Der Primarlehrer sieht das Thema selbst ziemlich nüchtern. Er halte sich an die Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung, so Stadler. «Diese sehen keinen Genderstern oder Doppelpunkt vor, sondern orientieren sich an der gesprochenen Sprache.» Dem berechtigten Anliegen der Toleranz werde man nur mit einem Sprachzeichen ohnehin wohl kaum gerecht.
Entsprechend hält es Stadler für wenig sinnvoll, über dieses Sonderzeichen zu diskutieren. Er hält fest: «Die Genderstern-Diskussion wurde zu einer Lieblingsbeschäftigung von links und rechts. Für solche unnötigen Effekthaschereien will ich keine Zeit investieren.»
Stadlers Appell: «Packen wir die wirklichen Probleme der Zeit an, die die Menschen in der Schweiz wirklich beschäftigen.»
Sowohl der Politologe als auch die SP-Politikerin und ihr Mitte-Kollege sind sich also einig. Der Genderstern ist national aktuell kein dringendes Thema. Zumal er wie erwähnt wohl keine so grosse Rückendeckung geniesst wie in der Stadt Zürich.