Alain Berset will in Europarat – Mitte zweifelt an «Kompatibilität»
Alt Bundesrat Alain Berset kandidiert für das Amt des Europarat-Generalsekretärs. Doch seine früheren Aussagen lassen Zweifel an seiner Qualifikation aufkommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Alain Berset kandidiert für das Amt des Generalsekretärs beim Europarat.
- Die Mitte zweifelt wegen Bersets «Kriegsrausch»-Aussage und seiner Haltung zur Ukraine.
- SVP-Heer hingegen sieht keinen Widerspruch: Der Europarat versuche, Krieg zu verhindern.
Der eben erst zurückgetretene SP-Bundesrat Alain Berset kandidiert für das Amt als Generalsekretär im Europarat. Er würde somit strategische Aufgaben innerhalb der führenden Menschenrechtsorganisation in Europa übernehmen. Berset wäre der erste Schweizer, der dieses Amt bekleiden würde.
Die Reaktionen darauf fallen divers aus. Marianne Binder-Keller, Aargauer Mitte-Ständerätin und neu Vizepräsidentin der Schweizer Delegation beim Europarat, ist kritisch.
Mitte skeptisch wegen «Kriegsrausch»-Aussage von Alain Berset
Gegenüber Nau.ch ruft sie Bersets «Kriegsrausch»-Aussage in Erinnerung. Als potenzieller Generalsekretär beim «Hüter der Menschenrechte» müsste Berset beim Bewerbungsgespräch klären, ob diese mit dem Amt kompatibel sei. Ausserdem müsste Berset aus Sicht von Binder-Keller klarmachen, «wie er zur Hilfe für die Ukraine steht».
Der Europarat habe nämlich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ersteres Land aus dem Gremium ausgeschlossen. «Berset verspürt den Kriegsrausch aber offensichtlich weniger bei Russland», sagt Binder-Keller. «Sondern bei denjenigen, welche die Ukraine bei der Verteidigung ihres Landes mit Waffen helfen wollen.»
Mitte-Präsident Gerhard Pfister widerhallt Binder-Kellers Einschätzung, wie auf «X» zu sehen ist: «Bin nicht sicher, ob es dort gut ankommt, dass er im Westen Kriegsrausch beim Krieg in der Ukraine ausmacht.»
Der frisch ernannte Präsident der Delegation beim Europarat, Alfred Heer, ist anderer Meinung. Wie der SVP-Nationalrat sagt, versuche der Rat eigentlich, Kriege zu verhindern und den Dialog zu fördern. «In diesem Sinne ist die Aussage Bersets kein Widerspruch zum Amt.» Er stehe als Präsident der Delegation «voll hinter der Kandidatur von Berset».
Trotzdem sei er überrascht gewesen, schliesslich habe Alain Berset nach seinem Rücktritt gesagt, er wolle eine Auszeit haben. Die Wahlchancen des Sozialdemokraten schätzt Heer als intakt ein: «Die Konkurrenz ist nicht so stark.»
«Berset könnte von grossem Nutzen für Europarat sein»
Der Europarat mit Sitz in Strassburg (F) hat nichts mit der EU zu tun: Vielmehr arbeitet er eng mit der Europäischen Union zusammen, wenn es um Demokratie und Menschenrechte in Europa geht. Nebst diesen Themen kümmert sich der Europarat auch um Kultur, Jugend und Sport.
Gemäss Nicolas Bideau, dem Mediensprecher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, bringt Alain Berset gute Voraussetzungen für das Amt mit. Insbesondere seine vertieften Kenntnisse zu Rassismus, Geschlechtergleichstellung und Kultur könnten «von grossem Nutzen sein», sagte Bideau zur «NZZ». Berset wäre der erste Schweizer, der dieses Amt bekleiden würde.
Der Generalsekretär oder die Generalsekretärin des Europarats wird für eine Amtszeit von fünf Jahren von der parlamentarischen Versammlung gewählt. Noch im Amt ist aktuell die ehemalige kroatische Aussenministerin Marija Pejčinović Burić. Auch der EU-Kommissar für Justiz, der Belgier Didier Reynders, will kandidieren. Im Juni wird die definitive Wahl stattfinden.