Bundesrat vertagt Entscheidung über sichere Herkunftstaaten
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen Neins der Grünen war keine Mehrheit für Neuregelung erwartet worden .
Die Beratung über das Gesetz wurde von der Tagesordnung genommen, wie Bundesratsvizepräsident Dietmar Woidke (SPD) zu Beginn der Sitzung mitteilte. Die Grünen bleiben bei ihrem Nein zu dem Gesetz, was ihnen Kritik aus der Union einbrachte.
Der Bundestag hatte das Gesetz zur Einstufung Marokkos, Algeriens, Tunesiens und Georgiens als sicher im Januar mit den Stimmen der grossen Koalition verabschiedet. Im Bundesrat ist für die zustimmungspflichtige Regelung aber auch die Unterstützung von Ländern mit Regierungsbeteiligung der Grünen erforderlich. Die Initiative zur Absetzung im Bundesrat ging von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) aus.
Mit Ausnahme Baden-Württembergs unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellen sich die Grünen bislang in allen Ländern gegen das Gesetz. Mit der Absetzung des Themas von der Tagesordnung der Länderkammer am Freitag ist bei einigen Beteiligten die Hoffnung verbunden, noch zu einer Einigung zu kommen.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock erklärte allerdings am Freitag in Berlin, sie hoffe, dass die Debatte «um das rechtsstaatlich hochproblematische Instrument» mit der Vertagung «beerdigt» sei. Stattdessen solle über «schnelle, rechtssichere und faire Asylverfahren» gesprochen werden.
Als Alternative zu sicheren Herkunftsländern haben die Grünen einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. Dazu gehören bessere Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern, Qualitätsverbesserungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie die Entlastung der Verwaltungsgerichte durch obergerichtliche Leitentscheidungen.
Der CSU-Innenexperte Volker Ullrich kritisierte die Absetzung: «Dieses Abstimmungs-Manöver einiger Länder kann ich nicht nachvollziehen.» Bei den vier genannten Ländern sei die Schutzquote für Asylbewerber sehr niedrig. Die Arbeitsbelastung von Behörden und Gerichten könne durch das neue Gesetz gesenkt werden. Der Anspruch auf Einzelfallprüfung werde nicht angetastet.
Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) erklärte: «Es ist bedauerlich, dass eine so wichtige Entscheidung erneut auf die lange Bank geschoben wird.» Damit bleibe das «dringend notwendige Signal» an die Menschen in diesen Herkunftsländern weiter aus.
Die FDP brachte ein Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat ins Gespräch. Wenn es Gesprächsbedarf gebe, dann gehöre die Sache in den Vermittlungsausschuss, sagte Partei- und Fraktionschef Christian Lindner der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post» (Samstagsausgabe) «Für taktische Spielchen haben wir keine Zeit.» Deshalb erwarte er eine Abstimmung in der nächsten Sitzung des Bundesrates.
Der Vermittlungsausschuss könnte durch einen entsprechenden Beschluss des Bundesrates angerufen werden. Die Einschaltung dieses Gremiums könnten auch Bundesregierung oder Bundestag beantragen, wenn der Bundesrat das Gesetz abgelehnt hat.
Der AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland machte die Grünen für die Vertagung verantwortlich und sprach von einer «Sabotagepolitik gegen deutsches Interesse».
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüsste die Vertagung der Entscheidung und kritisierte die mögliche Einstufung der vier genannten Länder als sicher. Sie verharmlose die Kriminalisierung von Homosexualität in Algerien, Marokko und Tunesien und «wäre ein schwerer Rückschlag für den Menschenrechtskampf vor Ort», hiess es in einer Erklärung.