Diskussion um Massnahmen gegen grossflächige Waldschäden nimmt Fahrt auf
Angesichts grossflächiger Waldschäden plant Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im September einen nationalen Krisengipfel.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesministerin Klöckner plant Krisengipfel - Grüne fordern eine Milliarde Euro.
Bereits im August sei wegen der Lage ein Treffen mit Verbänden angesetzt, teilte ihr Ministerium am Donnerstag in Berlin mit. Bundesumweltministerium, Grüne und Umweltschützer sprachen sich für einen Strategiewechsel hin zu naturnahen Misch- und naturbelassenen Urwäldern aus und forderten mehr Engagement beim Klimaschutz.
Laut Waldbesitzern, Forstexperten und Umweltschützern kommt es derzeit bundesweit zu massiven Waldschäden in einem bisher unbekannten Ausmass. Die Rede ist von einem «Kollaps» ganzer Bestände. Grund ist Umweltstress vor dem Hintergrund der seit dem vergangenen Jahr anhaltenden extremen Trockenheit in Deutschland.
Die Dürre setzt allen wichtigen Baumarten zu, was sie unter anderem auch anfällig für Schädlinge wie Borkenkäfer macht. Dazu kommen Waldbrände und Stürme. Ohnehin gelten zahlreiche Bäume in Deutschland seit langem durch Umweltbelastungen als geschädigt.
Nach Angaben Klöckners starben seit dem vergangenen Jahr bereits 110.000 Hektar Wald ab. Das entspricht beinahe der Hälfte der Fläche des Saarlands (260.000 Hektar) und mehr als der Fläche des Landes Berlin (89.000 Hektar). Zuletzt hatten verschiedene Verbände, Umweltschutzorganisationen sowie Landesminister Alarm geschlagen. Am Mittwoch etwa forderte bereits der Bund Deutscher Forstleute einen «nationalen Waldgipfel» auf «höchster Ebene».
Am Donnerstag kamen die für Forst- und Agrarthemen zuständigen Unionsminister aus Bund und Ländern im sächsischen Moritzburg zu einem eigenen Krisentreffen zusammen. Sie verabschiedeten nach Angaben des sächsischen Umweltministeriums eine Erklärung, in der sie vom Bund 800 Millionen Euro für kurz- und langfristige Gegenmassnahmen forderten. Auch Klöckner nahm an dem Treffen teil.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kündigte in Moritzburg an, sein Bundesland wolle 50 Millionen neue Bäume bis 2030 pflanzen. Dies sei auch ein Betrag zum Klimaschutz. Die Bundesländer bräuchten «deutliche Unterstützung» durch den Bund.
Laut Klöckner soll es bei dem geplanten «nationalen Waldgipfel» sowohl um kurzfristige Hilfsprogramme zur Wiederaufforstung abgestorbener Waldflächen als auch um langfristige Anpassungen der Baumbestände an den Klimawandel gehen. «Ein Waldumbau ist eine Generationenaufgabe», sagte die Ministerin im Deutschlandfunk. Die Lage bezeichnete sie dabei als «dramatisch».
Der Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltministerium, Ulrich Flasbarth, kündigte eine Überarbeitung der deutschen Waldstrategie an. Der Klimawandel mache es notwendig, auf widerstandsfähige Mischwälder zu setzen, sagte er dem «Tagesspiegel». «Anfällige Fichtenwälder durch anfällige Fichtenwälder zu ersetzen, löst das Problem nicht.»
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte in der «Rheinischen Post» eine «Urwaldoffensive». Fünf Prozent der Waldfläche sollten vollständig der Natur überlassen werden sagte sie. Von der Bundesregierung forderte sie die Einrichtung eines «Waldzukunftsfonds», um den nötigen Waldumbau in den kommenden zehn Jahren mit insgesamt einer Milliarde Euro zu finanzieren.
Die Umweltschutzorganisation BUND sprach sich für ein «Waldumbauprogramm» zur Schaffung naturnaher Laubmischwälder in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro sowie Hilfen für private Waldbesitzer über 500 Millionen Euro aus. BUND-Chef Hubert Weiger forderte ausserdem deutlich mehr Klimaschutz. Die «Klimakrise» sei die eigentliche Ursache für das «Waldsterben».
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace verwies ebenfalls auf den Klimawandel als Ursache für die aktuelle Entwicklung. Statt «Geldgeschenke an Waldgrossbesitzer zu verteilen», solle Klöckner in Sachen Kohleausstieg und Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für Autos Druck im Bundeskabinett machen, erklärten die Aktivisten. Notwendig seien ausserdem «echte naturnahe Wälder».
Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzerverbände forderte kurzfristige Bundeshilfen sowie einen gesellschaftlichen «Pakt für den Wald». Notwendig sei ein «schnelles, unbürokratisches Bundesprogramm zur Wiederbewaldung und Erstaufforstung», sagte Verbandspräsident Hans-Georg von der Marwitz der «Rheinischen Post». Er ist zugleich auch Bundestagsabgeordneter der CDU.