Regionalwahlen in Russland als wichtiger Stimmungstest für Präsident Putin

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Russland,

Überschattet vom Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und der Corona-Krise sind in Russland Regionalwahlen abgehalten worden.

Auszählung im sibirischen Nowosibirsk
Auszählung im sibirischen Nowosibirsk - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Urnengang von Giftanschlag auf Nawalny und Corona-Krise überschattet.

Am letzten und entscheidenden Wahltag gaben am Sonntag Bürger in 41 der 85 Regionen des Landes ihre Stimme ab. Der dreitägige Urnengang gilt als wichtiger Stimmungstest für Staatschef Wladimir Putin. Unabhängige Wahlbeobachter berichteten von zahlreichen Verstössen.

Die Regionalwahlen dauerten erstmals drei Tage und hatten bereits am Freitag begonnen. Abgesehen von Regional- und Kommunalparlamenten sowie Gouverneuren wurde in Nachwahlen ausserdem über vier Sitze im russischen Parlament entschieden. Zum Schutz vor dem neuartigen Coronavirus mussten Wähler und Wahlhelfer Masken tragen, ausserdem wurde Fieber gemessen.

Einige Wahllokale wurden im Freien eingerichtet. Die Chefin der zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, wies Kritik daran zurück. Zum Vorwurf der Opposition, der mehrtägige Urnengang ermögliche den Behörden die Organisation von Wahlbetrug, sagte Pamfilowa, diese Anschuldigungen seien nicht objektiv und «gemein». Die Bekanntgabe der Wahlergebnisse ist für Montag geplant.

Der Chef der Regierungspartei Geeintes Russland, Dmitri Medwedew, erklärte am Sonntagabend, laut Nachwahlbefragungen gehe seine Partei als Sieger aus den Wahlen hervor.

Eine der meistbeachteten Wahlkampagnen der Opposition gab es in Russlands drittgrösster Stadt Nowosibirsk. Dort hatte der örtliche Leiter von Nawalnys Anti-Korruptionsorganisation, Sergej Boiko, ein Oppositionsbündnis geschmiedet, um Geeintes Russland und die Kommunistische Partei zu besiegen. Am Abend erklärte Boiko, er habe einen Sitz im Stadtrat von Nowosibirsk errungen.

Zugleich erklärte Boiko, seine Anhänger hätten dutzende Manipulationen vom Ausschluss von Wahlbeobachtern bis hin zu einem gebrochenen Siegel an einer Wahlurne festgestellt.

Auch die Nawalny-Verbündete Xenia Fadejewa erklärte, sie ziehe gemeinsam mit einem weiteren Nawalny-Anhänger in den Stadtrat von Tomsk ein. In der Stadt war der Giftanschlag auf Nawalny verübt worden.

Nawalnys Team hatte die Bürger mit dem Slogan «Jeder Abgeordnete ist besser als ein Mitglied von Geeintes Russland» zur Wahl des jeweils aussichtsreichsten Oppositionskandidaten aufgerufen. Mit dieser Strategie des «klugen Wählens» soll Putin das Wasser abgegraben werden.

Laut der unabhängigen Wahlbeobachtungsgruppe Golos wurden mehr als 1500 Manipulationen gemeldet. Dazu gehörte demnach auch der Austausch von bereits vorab ausgefüllten Wahlzetteln gegen vor Ort abgegebene.

Die Regionalwahlen ein Jahr vor der russischen Parlamentswahl sind für Putin von grosser Bedeutung. Sein Ansehen hat unter einer unpopulären Rentenreform und der schlechten wirtschaftlichen Lage wegen der Öl-Krise und der Corona-Pandemie gelitten.

In Chabarowsk im Fernen Osten Russlands sorgte zudem die Verhaftung des Ex-Gouverneurs Sergej Furgal wegen dessen möglicher Verwicklung in 15 Jahre zurückliegende Mordfälle für die grössten Proteste, die die Region bisher gesehen hat.

Nawalny war während einer Wahlkampftour in Sibirien vergiftet worden. Der Kreml-Kritiker brach auf einem Inlandsflug zusammen, kam zunächst in Russland ins Krankenhaus und wurde nach zwei Tagen in die Berliner Charité verlegt. Inzwischen konnte der 44-Jährige von den Berliner Ärzten aus dem künstlichen Koma geholt werden und ist ansprechbar.

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