Ghani macht raschen US-Truppenabzug für Lage in Afghanistan verantwortlich
Der afghanische Präsident Aschraf Ghani hat den raschen US-Truppenabzug für die sich verschlechternde Sicherheitslage im Land verantwortlich gemacht.
Das Wichtigste in Kürze
- Präsident: «Entscheidung wurde abrupt getroffen».
«Der Grund für unsere derzeitige Situation ist, dass die Entscheidung abrupt getroffen wurde», sagte er am Montag im Parlament. Er habe Washington gewarnt, dass der Abzug «Konsequenzen» haben würde.
Seit dem Beginn des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan haben die radikalislamischen Taliban weite Teile des Landes erobert. Nach der Eroberung grosser ländlicher Gebiete Afghanistans dringen die Taliban immer näher an wichtige Provinzhauptstädte heran. In der Nacht zu Montag griff die Miliz mindestens drei Provinzhauptstädte an: Laschkar Gah, Kandahar und Herat. Dort war es bereits am Wochenende zu schweren Kämpfen gekommen, vor denen tausende Zivilisten flohen.
In Laschkar Gah, Hauptstadt der Provinz Helmand, griffen die Taliban zeitgleich das Stadtzentrum und das Gefängnis an. «Die afghanischen Streitkräfte haben die Angriffe am Boden und aus der Luft zurückgeschlagen», teilte das Militär in Helmand mit. Die Regierung hat die Entsendung hunderter Kommandos in das Gebiet angekündigt.
Auch in einigen Bezirken der Provinz Kandahar und in den Aussenbezirken der gleichnamigen Provinzhauptstadt kam es am Montag erneut zu heftigen Kämpfen. Am Sonntag hatten die Aufständischen bereits den strategisch wichtigen Flughafen von Kandahar mit Raketen beschossen.
Auch in der westafghanischen Provinz Herat wurden die Gefechte fortgesetzt. «Die Bedrohung in diesen drei Provinzen ist gross, aber wir sind entschlossen, ihre Angriffe abzuwehren», sagte der Sprecher der afghanischen Sicherheitskräfte, Adschmal Omar Schinwari, am Sonntag vor Journalisten.
Die afghanischen Behörden haben laut Ghani einen Sechsmonatsplan zum Kampf gegen die Taliban ausgearbeitet. Der Präsident räumte aber ein, dass die Aufständischen nicht länger eine «verstreute und unerfahrene Bewegung» seien. «Wir haben es mit einem organisierten Kommando und einer organisierten Führung zu tun, die von einer unheiligen Koalition des internationalen Terrorismus und der ihn unterstützenden Kreise gestützt wird.»
Die Einnahme eines der grossen urbanen Zentren Afghanistans durch die Taliban würde die Dynamik des Konflikts nach Einschätzung von Experten zugunsten der Islamisten verändern. Beobachter befürchten, dass die Taliban nach dem vollständigen Abzug der Nato-Truppen wieder die Kontrolle in Afghanistan übernehmen könnten.