Suche nach Hintergründen und möglichen Versäumnissen nach Anschlag von Christchurch
Nach dem blutigen Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch hat die Suche nach den Hintergründen und möglichen Versäumnissen der Behörden begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Angreifer zeigt vor Gericht rechtsextreme Geste .
Es stelle sich die Frage, warum der Täter trotz seiner extremistischen Ansichten nicht im Visier der Geheimdienste war, sagte Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern am Samstag. Sie kündigte eine Verschärfung der Waffengesetze an. Der 28-jährige mutmassliche Täter machte auch bei einer Anhörung vor einem Haftrichter aus seiner rechtsextremen Gesinnung keinen Hehl.
Der Australier Brenton Tarrant hatte bei seinem Anschlag am Freitag 49 Menschen erschossen. In einem im Internet veröffentlichten «Manifest» beschreibt er auf 74 Seiten seine rechtsextreme Weltsicht. Die Gerichtsanhörung am Samstag verfolgte er weitgehend unbewegt, machte aber mit der Hand eine Geste, mit der sich weisse Extremisten in aller Welt zu erkennen geben: Dabei werden die Spitzen von Daumen und Zeigefinger zusammengelegt und die anderen Finger abgespreizt, während die Hand nach unten zeigt.
Tarrant wird offiziell des Mordes beschuldigt, weitere Anklagepunkte dürften folgen. Er stellte keinen Antrag auf Freilassung gegen Kaution. Am 5. April soll er erneut vor Gericht erscheinen. Ausser dem Australier blieben zwei weitere Verdächtige in Haft. Ihre Rolle bei dem Anschlag wurde nicht erläutert; einem 18-Jährigen wurde zunächst Aufwiegelung zur Last gelegt.
Nach dem Anschlag wurden am Samstag noch 39 Verletzte im Krankenhaus behandelt, darunter ein zweijähriger Junge und eine Vierjährige, die in Lebensgefahr schwebte. Die Opfer stammten aus zahlreichen Ländern. Unter den Todesopfern sind mindestens ein Saudi-Araber, vier Jordanier und sechs Pakistaner.
Polizeichef Mike Bush sagte, der «absolute Mut» von Polizisten und Zivilisten habe vermutlich weitere Opfer verhindert. Nach Angaben von Regierungschefin Ardern wurde Tarrant nach dem Angriff auf die zweite Moschee von zwei Polizisten gestoppt, während er in seinem Wagen unterwegs war. Wäre er nicht aufgehalten worden, hätte er seinen Angriff vermutlich fortgesetzt.
Laut Ardern hatte der Täter im November 2017 einen Waffenschein erhalten und im folgenden Monat mit dem Kauf der fünf Waffen begonnen, die er bei dem Attentat benutzte. Dazu zählen zwei halbautomatische Waffen und zwei Shotguns. Nach den Worten der Premierministerin hatte Tarrant die Waffen manipuliert, um sie noch tödlicher zu machen.
In Neuseeland kann jeder Bürger über 16 Jahren einen Waffenschein erhalten, wenn er zuvor einen Sicherheitskurs durchlaufen hat. Damit ist das Waffenrecht dort deutlich laxer als in Tarrants Heimatland Australien. Dies werde sich ändern, versprach Ardern. Zudem solle untersucht werden, ob der Mann den Behörden früher hätte auffallen müssen.
Ardern traf in einer Schule in Christchurch Überlebende des Anschlags und Angehörige von Opfern. Die aus Somalia stammende Neuseeländerin Sahra Ahmed sagte, der Besuch der Regierungschefin bedeute «sehr viel». Es sei «ein Signal zu sagen 'ich bin an eurer Seite'».
Im ganzen Land löste die Bluttat eine riesige Welle der Solidarität mit der muslimischen Minderheit aus. Den ganzen Samstag über legten Menschen Blumen vor der Hauptmoschee in Christchurch nieder. Andere spendeten per Crowdfunding Millionen von Dollar oder boten verängstigten Muslimen ihre Begleitung an.
Nach dem Angriff tauchte immer wieder die Frage auf, ob westliche Regierungen rechtsextreme Bewegungen zu lange unterschätzt haben. Nach den Worten des ehemaligen Antiterror-Spezialisten der US-Bundespolizei FBI, Ali Soufan, befindet sich der Westen «inmitten einer Welle des rechtsgerichteten Terrorismus». Dieser habe sich vor aller Augen wie ein Krebsgeschwür immer weiter ausgebreitet, bei den Antiterror-Behörden aber allenfalls «verhaltene Reaktionen» ausgelöst.