Opposition verliert nach Wahl in Weissrussland alle Sitze im Parlament
Weissrusslands autoritär herrschender Präsident Alexander Lukaschenko kann künftig ohne Opposition im Parlament regieren.
Das Wichtigste in Kürze
- OSZE prangert «Missachtung fundamentaler Freiheiten» bei Parlamentswahl an.
Bei der Parlamentswahl am Sonntag verlor die Opposition ihre beiden einzigen Sitze im Abgeordnetenhaus, wie aus dem am Montag veröffentlichten offiziellen Wahlergebnis hervorgeht. Alle 110 gewählten Abgeordneten gehören nun Parteien an, die Lukaschenko unterstützen. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) prangerten eine «Missachtung fundamentaler Freiheiten» bei der Wahl an.
Mehr als die Hälfte der neugewählten Abgeordneten gehören der Regierung an. Unter ihnen befinden sich auch Mitarbeiter der Staatsmedien. Die wichtigsten Anführer der Opposition sowie die einzigen beiden Oppositionspolitiker, die zuvor Sitze im Parlament innehatten, waren zu der Wahl nicht zugelassen worden.
Zu den prominentesten neuen Abgeordneten gehört die «Miss Weissrussland 2018», Maria Wasilewitsch. Die 22-Jährige hatte Lukaschenko in den vergangenen Monaten häufig zu offiziellen Anlässen begleitet.
Die Oppositionsparteien hatten bis Sonntagabend fast 600 Unregelmässigkeiten bei der Wahl gemeldet. Sie kritisierten, die Verantwortlichen in den Wahllokalen hätten vor allem die Zahl der Wähler höher angegeben als von Wahlbeobachtern gezählt.
«Mit diesen schamlosen und zynischen Fälschungen lassen die Behörden den Menschen keine Wahl - sie zwingen die Menschen auf die Strassen», sagte der Chef der Oppositionspartei Vereinte Bürgerfront, Nikolai Koslow, der Nachrichtenagentur AFP.
Auch die OSZE, die mit 400 Wahlbeobachtern vor Ort war, kritisierte einen «allumfassenden Mangel an Respekt für demokratische Verpflichtungen». Die Leiterin der OSZE-Wahlbeobachtungsmission, Margareta Cederfelt, warnte, die Parlamentswahlen in Weissrussland drohten zu einer reinen Formalie zu werden.
Es habe «erhebliche Missstände bei der Stimmauszählung» gegeben, hiess es in der OSZE-Erklärung. So bestünden Zweifel, «ob die Stimmergebnisse ausgezählt und ehrlich wiedergegeben» worden seien. Oppositionsparteien seien bei der Registrierung und beim Versuch, öffentliche Versammlungen abzuhalten, behindert worden.
Der Leiter des Warschauer Zentrums für Politische Analysen und Prognosen, Pawel Usow, sprach von einer «Perfektionierung» des «weissrussischen Systems des Wahlbetrugs». «Niemand wählt, niemand zählt die Stimmen aus, aber es gibt ein Ergebnis, das niemand angreifen kann», kritisierte Usow.
Nach offiziellen Angaben hatten sich 77 Prozent der 6,8 Millionen Wahlberechtigten an dem Urnengang beteiligt, 35 Prozent hatten demnach bereits vor dem Wahltag ihre Stimme abgegeben.
Lukaschenko, der die ehemalige Sowjetrepublik seit einem Vierteljahrhundert autoritär regiert, wird oft als «Europas letzter Diktator» bezeichnet. Keine einzige Wahl unter ihm wurde von internationalen Beobachtern als frei und fair gewertet.
Der 65-Jährige bestätigte am Sonntag, bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr erneut für das höchste Staatsamt kandidieren zu wollen. Zur Parlamentswahl sagte er, westliche Länder hätten zwar Wahlbeobachter ins Land geschickt, die Weissrussen hätten jedoch das letzte Wort bei der Abstimmung. «Wir halten die Wahl in unserem Land für unser Volk ab, um die Dinge besser zu machen, und wir halten sie auf die Weise ab, die wir für richtig halten.»
Lukaschenko hatte sich in den vergangenen Jahren bemüht, die Beziehungen zum Westen zu verbessern, der ihm immer wieder die Missachtung der Menschenrechte und die Einschüchterung der Opposition und der Medien vorwirft. Er strebt ein Gegengewicht zum mächtigen Nachbarn Russland an, das Weissrussland in seinem Einflussbereich halten will. Beide Länder sind Teil der Russisch-Weissrussischen Union, eine vollständige Vereinigung lehnt Lukaschenko jedoch ab.