Pro Asyl und Grüne attackieren Vorschlag zu Asylprüfung an EU-Aussengrenzen
Der Vorschlag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zur Asylprüfung an den EU-Aussengrenzen stösst auf harsche Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- SPD-Politiker beurteilen Initiative Seehofers uneinheitlich.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) und die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnten am Mittwoch vor einer Aushebelung des Rechtsstaats. Aus der SPD kamen dagegen uneinheitliche Töne zu Seehofers Vorstoss.
Der Innenminister hatte am Dienstag vorgeschlagen, die Entscheidung über Asylanträge an die Aussengrenzen der EU zu verlagern, um so die Zahl der einreisenden Flüchtlinge zu reduzieren. Bereits an der Grenze solle auf Grundlage einheitlicher EU-Regeln die Frage geklärt werden, ob jemand Schutzbedarf habe oder nicht, sagte er.
«Wir lehnen Massenverfahren an den Grenzen ab», kommentierte dies Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Mit Seehofers Konzept würde «der Rechtsstaat ausgehebelt». Burkhardt verwies im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP darauf, dass die Betroffenen bei Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen keine anwaltliche Vertretung bekommen könnten. Auch sei eine gerichtliche Überprüfung «von behördlichen Fehlentscheidungen» nicht möglich.
Es gehe bei dem Vorhaben schlicht darum, «kurzen Prozess» zu machen, kritisierte Burkhardt. Dadurch würden Schutzbedürftige «auf der Strecke bleiben».
Die Grünen-Politikerin Roth sagte AFP, der Vorschlag «bleibt auch dann rechtsstaatlich nicht hinnehmbar, wenn er zum gefühlt einhundertsten Mal vorgetragen wird». Ein faires und gründliches Asylverfahren sei «kein Almosen, sondern rechtsstaatlicher Anspruch und Grundpfeiler des internationalen Flüchtlingsrechts».
«Eine individuelle Prüfung, wie sie das Flüchtlingsrecht explizit voraussetzt, ist an den EU-Aussengrenzen, wo die Mitgliedstaaten ohnehin komplett überfordert sind, nicht vorstellbar», urteilte Roth. Bereits heute sei die Situation in den dortigen Flüchtlingslagern «humanitär untragbar». Geflüchtete warteten dort jahrelang auf eine Entscheidung, während «grundlegendste Versorgungsstandards» verletzt und Menschenrechte «tagtäglich mit Füssen getreten» würden.
Vor einem «Absenken von Standards» und «noch schlechteren Entscheidungen» durch eine Verlagerung von Asylentscheidungen an die EU-Aussengrenzen warnte der Vorsitzende der AG Migration und Vielfalt beim SPD-Parteivorstand, Aziz Bozkurt. Auch gehe Seehofers Vorschlag an den Realitäten vorbei, weil die dafür notwendige Harmonisierung des europäischen Asylsystems bisher nicht gegeben sei.
Dagegen zeigte sich der migrationspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Lars Castellucci, gesprächsbereit. «Wir treten für ein europäisiertes Asylsystem ein, bei dem es auch Verfahren an den Aussengrenzen gibt, aus denen dann Schutzbedürftige verteilt und andere zurückgeführt werden», sagte Castellucci der «Welt». Er forderte Seehofer auf, er solle schnell ein «erstes Modellverfahren auf den Weg bringen und dafür europäische Partner gewinnen». Unberührt davon bleiben solle aber das Asylsystem in Deutschland «für alle, die beispielsweise über die Flughäfen einreisen».