Prokurdische Partei in der Türkei protestiert gegen Annullierung ihrer Wahlsiege
Bei den türkischen Kommunalwahlen vom 31. März hatte die prokurdische Opposition zahlreiche Städte im Südosten gewonnen, doch nun sieht sie sich in mehreren Gemeinden um den Sieg gebracht.

Das Wichtigste in Kürze
- Wahlkommission verweigert gewählten HDP-Bürgermeistern Mandat.
Nach einer Entscheidung der Hohen Wahlkommission (YSK), gewählten Bürgermeistern der Demokratischen Partei der Völker (HDP) das Mandat zu verweigern, kündigte die Partei am Donnerstag «ausserordentlichen Einspruch» an. Für die betroffenen Gemeinden forderte sie Neuwahlen.
Die Wahlkommission hatte am Mittwoch entschieden, dass kein Politiker ein Mandat übernehmen könne, der während des im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustands per Dekret entlassen worden war. In solchen Fällen würden die jeweils Zweitplatzierten das Mandat übernehmen. Die HDP kritisierte, dass die Wahlkommission damit im Nachhinein Kandidaten ausschliesse, denen sie zuvor erlaubt hatte, zur Wahl anzutreten.
Unter dem nach dem Putschversuch verhängten Ausnahmezustand wurden in der Türkei mehr als 140.000 Menschen aus dem Staatsdienst entlassen, darunter tausende HDP-Anhänger. Laut der HDP sind fünf ihrer Kandidaten im mehrheitlich kurdischen Südosten der Türkei von der Entscheidung der Wahlkommission betroffen. In den meisten Fällen fallen die Mandate an Kandidaten der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Dieser wirft der HDP vor, der politische Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein, die seit 1984 gegen den türkischen Staat kämpft. Im Wahlkampf rückte er sie in die Nähe von Terroristen und drohte, im Fall ihrer Wahl HDP-Politiker erneut durch staatliche Verwalter zu ersetzen. Bereits im Herbst 2016 hatte die Regierung 96 der 102 HDP-Bürgermeister unter dem Vorwurf abgesetzt, Kontakte zur PKK zu unterhalten.
Der HDP-Abgeordnete Mithat Sancar kündigte an, dass die Partei «ausserordentlichen Einspruch» erheben und eine Wiederholung der Wahl in fünf Gemeinden beantragen werde. Die YSK-Entscheidung sei verfassungswidrig und ein «Schlag gegen den Willen der Wähler» und «die Zukunft der Demokratie in der Türkei», sagte Sancar. Der HDP-Sprecher Saruhan Oluc sprach von einer «gezielten politischen Verschwörung» der Regierungskoalition.
Knapp hundert HDP-Anhänger versammelten sich in der Stadt Diyarbakir zu einer Protestkundgebung vor der Stadtverwaltung des Bezirks Baglar, der von der YSK-Entscheidung betroffen ist. Als sie in das Gebäude zu gelangen versuchten, hinderte sie die Polizei daran. Daraufhin hielten sie einen Sitzstreik ab, wie ein AFP-Reporter berichtete. «Die Stadtverwaltung ist unsere, sie wird unsere sein», riefen die Demonstranten.
«Dies ist Druck von der Regierung, es passiert jedes Mal», sagte der HDP-Kandidat von Baglar, Zeyyat Ceylan. Die Partei und das Volk würden nicht akzeptieren, dass die Stimmen des Volkes an die AKP übergeben würden. Ceylan hatte bei der Wahl mehr als 70 Prozent der Stimmen erhalten. Durch die YSK-Entscheidung geht das Bürgermeisteramt nun aber an den AKP-Kandidaten, der mit 25 Prozent auf den zweiten Platz kam.