Tucker Carlson mit Putin im Interview: Das sind die Erkenntnisse
Der frühere Fox-News-Moderator Tucker Carlson führte ein zweistündiges Interview mit Putin. Der russische Präsident musste sich kaum kritischen Fragen stellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Fernsehmoderator Tucker Carlson und Wladimir Putin trafen sich für ein Interview.
- In den über zwei Stunden musste Putin sich kaum mit kritischen Fragen auseinandersetzen.
- Der russische Präsident lenkte und dominierte das Gespräch.
Der ehemalige Fox-News-Moderator und politische Kommentator Tucker Carlson führte ein Interview mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Einige Tage nach der Ankündigung, wurde dieses jetzt veröffentlicht.
Erste Reaktionen von Russland-Kennern fallen wenig überrascht und eher enttäuscht aus. Die Kritiken sind zuweilen vernichtend.
Ist das Interview sehenswert?
Ein Muss wäre das Interview lediglich für Analysten der «Interviewtechniken bei Staatsoberhäuptern», der Körpersprache oder der Putin-Doppelgänger-Theorie. Andernfalls wird der über zweistündige Dialog eher als ereignislos und gar langweilig beschrieben.
Das könnte damit zu tun haben, dass Putin gleich zu Beginn eine von Carlson kaum zu unterbrechende halbstündige Antwort gab. Es artete in eine Lektion in russischer Geschichte seit 862 aus. Das möge langweilig sein, erkläre aber vieles, meinte Putin in herablassendem Tonfall. Carlson beeilte sich zu sagen, es sei nicht langweilig: «Ich bin mir einfach nicht sicher, wie relevant es ist.»
Was gab es Neues zu erfahren?
Herausgestochen sind für die meisten zwei Punkte: Putin antwortete auf eine entsprechende Frage, dass er nicht beabsichtige, Polen oder Lettland anzugreifen. Allerdings hat er dies in der Vergangenheit auch über die Ukraine gesagt. Polen und Lettland sind im Gegensatz zur Ukraine Nato-Mitglieder; Russland würde sich mit einem Angriff also der geballten Militärmacht weiter Teile Europas, der USA und Kanadas gegenübersehen.
Zweitens gibt es einen Funken Hoffnung für den der Spionage angeklagten Evan Gershkovich, Journalist des «Wall Street Journal». In einer seiner wenigen kritischen Fragen forderte Carlson Putin heraus. Dieser lenkte zwar nicht ein.
Doch, und da sei er jetzt «absolut ehrlich»: Auch er wolle, dass Gershkovich in die USA zurückkehren könne, nur brauche es dazu mehr Verhandlungen.
Was wurde nicht angesprochen?
Eigentlich alle anderen kritischen Punkte: Die Gräueltaten von Butscha, die verschleppten ukrainischen Kinder, die Bomben auf Zivilgebäude. Die «Tradition», dass Putin-Kritiker zum Schweigen und/oder zum Verschwinden gebracht werden. Und apropos Verschwinden: Was eigentlich mit Wagner-Gruppenchef Jewgeni Prigoschin passiert sei.
Wie hat sich Tucker Carlson geschlagen?
Die Kritiken sind grösstenteils vernichtend: Die meisten Fragen seien unkritische Steilpässe gewesen und Putin habe das Gespräch nach Belieben dominiert. Zugutehalten kann man Tucker Carlson, dass er gut vorbereitet war und sich nicht gerade den einfachsten Gesprächspartner ausgesucht hat. Die (eher linkslastigen) US-Medien hauen trotzdem in die Pfanne.
Während das Wirtschafts-Magazin «Forbes» lediglich herausstreicht, dass Carlson wohl Putin eine Plattform geboten habe, findet selbst «CNN Business»: «Putin holt nach Tucker Carlsons Softball-Interview einen Propagandasieg heraus.»
«Rolling Stone» wird schon richtig fies: «Putin benutzte Tucker Carlson, um den Boden des Kremls aufzuwischen.» Die «Washington Post» belässt es eher bei einer neutraleren Beschreibung: «Putin lässt Tucker Carlson in einem ausschweifenden Interview kaum zu Wort kommen.» Der Kommentator des britischen «Telegraph» dagegen bemüht die viel zitierte «Russische Umkehrung»: «In Russland interviewst Du nicht den Präsidenten, der Präsident interviewt Dich.»
Was sagt Tucker Carlson selbst dazu?
In einem Video kurz nach dem Interview, immer noch in den Kreml-Gemächern, zeigt sich der umstrittene Moderator ziemlich geschafft. Von den Eindrücken ist er sichtlich überwältigt. Er werde wohl ein Jahr brauchen, um sich selbst eine Meinung zu bilden.
Dass es nicht ganz nach Plan gelaufen war, ist ihm offenbar auch bewusst; er hat dazu aber seine eigene Interpretation.
So gibt Tucker Carlson zu Protokoll: «Putin ist nicht jemand, der viele Interviews gibt. Er ist nicht gut darin, sich selbst zu erklären. Aber er verbringt eindeutig viel Zeit in einer Welt, in der er sich nicht erklären muss.»