Schäuble zeigt Verständnis für Ungeduld mit Klimapolitik
In einer Rede aus Anlass seiner 50-jährigen Zugehörigkeit zum Bundestag hat der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble Verständnis für die Ungeduld junger Menschen in der Klimapolitik gezeigt.
Bereits im Jahr seiner ersten Wahl in den Bundestag – 1972 – seien die «Gefahren von exponenziell wachsendem Ressourcen-Verbrauch und Umweltbelastung» bekannt gewesen – und dies habe «leider zu wenig praktische Schlussfolgerungen gefunden», sagte Schäuble. «Auch deswegen verstehe ich, warum die junge Generation heute so drängt.»
Er sehe die «Herausforderung für die parlamentarische Demokratie zu erklären, warum in der freiheitlichen Gesellschaft Prozesse oft langsam verlaufen», sagte Schäuble. Der frühere Minister und Parlamentspräsident warnte zugleich vor einer Radikalisierung der Klima-Protestbewegung.
«Nach meinen Erfahrungen bin ich mir auch nicht so sicher, dass aus anfangs idealistischem Protest, wenn er anfängt zu strafbaren Mitteln zu greifen, nicht auch schlimme Entscheidungen entstehen können», sagte Schäuble. «Deshalb ist es gut, wenn unsere zuständigen Behörden auch hier den Anfängen wehren.»
Die Klimaprotestbewegung «Letzte Generation», die wegen Blockade-und anderer Aktionen zuletzt auch ins Visier der Justiz geriet, nannte Schäuble nicht ausdrücklich beim Namen. Aus seiner Fraktion waren zuletzt scharfe Töne dazu gekommen – CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt etwa warnte vor einer «Klima-RAF».
Schäuble betonte in seiner Rede, dass er sich nun als einfacher Abgeordneter mit öffentlichen Äusserungen zurückhalten wolle. «Mit ungebetenen Ratschlägen will ich mich wirklich zurückhalten, so habe ich es mir in meiner Alters- und Mandatszeit begründeten Sonderrolle vorgenommen», sagte Schäuble. Allerdings wolle er das «freundliche Angebot» von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), im Plenum einige Worte zu sagen, für einen Vorschlag nutzen.
Schäuble forderte eine Debatte darüber, wie der Staat durch eine Neuordnung von Zuständigkeiten handlungsfähiger werden könnte. Ihm gehe es um eine «grundlegende Neuordnung der Aufgaben – auch zwischen Staat und Gesellschaft, und der Zuständigkeiten einschliesslich der Zuordnung von selbst zu bestimmenden Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen».
Deutschland ähnele durch «perfektionistische Überregulierung dem gefesselten Riesen Gulliver», sagte Schäuble. «Dann könnten wir auf diesem Weg einer wieder als handlungsfähig wahrgenommenen Politik auch das Verständnis der Bürger fördern, dass Demokratie eben eine Zumutung ist und nicht nur ein Supermarkt für Schnäppchenjäger.»
Das Vertrauen in die Fähigkeit von Politik, Probleme zu lösen, nehme ab, warnte Schäuble. «Ich weiss nicht, wie viele Entbürokratisierungs-Kommissionen und -initiativen wir in diesen 50 Jahren hatten – besser geworden ist jedenfalls nichts.»
Schäuble hatte am 13. Dezember 1972 sein erstes Mandat als Bundestagsabgeordneter angetreten. Seitdem gehört er dem Bundestag ohne Unterbrechung an – länger als jeder oder jede andere Abgeordnete vor ihm. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier quittierten Schäubles Rede am Donnerstag mit stehenden Ovationen.