Schweizer Rüstungsindustrie gerät unter Druck
Deutschland darf Schweizer Munition nicht in die Ukraine ausführen. Der Entschluss sorgt in Berlin für rote Köpfe und könnte künftige Rüstungsexporte bedrohen.
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland möchte Munition aus Schweizer Produktion in die Ukraine schicken.
- Dies steht in direktem Konflikt mit nationalem und internationalem Neutralitätsrecht.
- Jetzt wollen deutsche Abgeordnete die Beschaffung von Schweizer Rüstungsgütern überdenken.
Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine rüstet Europa auf: Neben der Bundesrepublik Deutschland haben auch zahlreiche andere Staaten einer signifikanten Erhöhung des Verteidigungsetats zugestimmt. Davon profitiert auch die Schweizer Rüstungsindustrie.
Vergangene Woche richtet sich die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit einem Brief an das Eidgenössische Verteidigungsdepartement: Die Schweiz soll der Bundesrepublik entgegen geltendem Neutralitätsrecht und in Verletzung der unterzeichneten Nichtwiederausfuhr-Bestimmungen erlauben, Munition ins Kriegsgebiet zu exportieren.
Doch der Bundesrat bleibt standhaft: Das Neutralitätsrecht verbiete es der Schweiz, jeglicher Weitergabe von Kriegsmaterial in Krisengebiete zuzustimmen. Die Rechtslage bleibe unverändert – die Ukraine muss die benötigte Munition anderenorts auftreiben.
Rüstungsindustrie gerät unter Druck
Durch das Verbot der Weitergabe von Munition für die Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer könnte die Schweizer Rüstungsindustrie jetzt aber in Bedrängnis geraten: Es werden Stimmen laut, die damit drohen, die Eidgenossenschaft bei Rüstungs- und Munitionskäufen künftig nicht mehr in Betracht zu ziehen.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), betont gegenüber «Blick» beispielsweise: Nicht nur Deutschland, sondern die gesamte Nato müsse «aus schlicht pragmatischen Gründen» die Beschaffung von Schweizer Munition für Waffen überdenken. Zumindest dann, «wenn die Gefahr besteht, dass so eine Situation nochmals auftreten könnte».
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» ruft die Schweiz ihrerseits ebenfalls dazu auf, die für Rüstungsexporte geltenden Bestimmungen zu überdenken: «Rüstungsgüter kauft man in der Schweiz künftig besser nicht mehr.»
Rüstungsexporte, Neutralitätsrecht und Rüstungsindustrie
Auf Anfrage verweist Fabian Maienfisch, Mediensprecher des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), einerseits auf die wirtschaftliche Bedeutung der heimischen Rüstungsindustrie: Schweizer Rüstungskonzerne produzieren eine jährliche Wertschöpfung von mehr als 1'500 Millionen Franken. Rund 9'500 Stellen sind an den Verkauf von Rüstungsgütern im In- und Ausland geknüpft.
Gleichzeitig betont Maienfisch die Wichtigkeit der unterzeichneten Nichtwiederausfuhr-Erklärungen. Nur mithilfe eindeutiger, rechtlicher Rahmenbedingungen könne die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an unerwünschte Endempfänger verhindert werden.
Obwohl das SECO Verständnis für das Anliegen habe, sei weder eine Aufhebung der Nichtwiederausfuhr-Erklärungen, noch eine Änderung des Neutralitätsrechts zulässig. Auch Drohgebärden aus Berlin dürfen letztendlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der Bundesrat der strikten Einhaltung der Neutralität verpflichtet ist.