Vor dem Hintergrund von demokratiegefährdenden Desinformationskampagnen im Internet hat das Onlinenetzwerk Twitter angekündigt, künftig keine Plattform mehr für politische Werbeanzeigen zu bieten.
Jack Dorsey
Twitter-Chef Jack Dorsey - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Firmenchef Dorsey sieht Risiken für Meinungsbildung in Demokratien.
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Ab dem 22. November werden bezahlte Anzeigen für politische Kandidaten oder Themenkampagnen auf Twitter weltweit nicht mehr erlaubt, wie Unternehmenschef Jack Dorsey am Mittwoch ankündigte. Der Online-Gigant Facebook wird aber voraussichtlich nicht nachziehen.

Nach Dorseys Angaben zieht Twitter mit seinem Schritt die Konsequenzen aus den «erheblichen Risiken», die bezahlte Anzeigen für politische Zwecke in den Onlinenetzwerken für den Meinungsbildungsprozess in Demokratien mit sich brächten. Dorsey verwies unter anderem auf die Verbreitung «ungeprüfter irreführender Information», Wählerbeeinflussung und sogenannte Deep Fakes, also die Verfälschung von Videoinhalten.

Die Demokratin und frühere Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton befürwortete den Schritt. «Das ist eine richtige Entscheidung für die Demokratie in Amerika und auf der ganzen Welt», schrieb Clinton auf Twitter. Die US-Demokraten hatten in der Vergangenheit unter anderem den Druck auf das Netzwerk Facebook erhöht, politische Anzeigen zu entfernen.

Der Wahlkampfmanager von US-Präsident Donald Trump, Brad Parscale, sprach von einer «dummen Entscheidung» für die Twitter-Aktionäre, weil das Unternehmen sich somit von «Hunderten Millionen Dollar an potenziellen Einnahmen» verabschiede. Er stellte ausserdem die Frage, ob Twitter künftig auch «Anzeigen von parteiischen, liberalen Medien» stoppe, die darauf abzielten, die Republikaner von Trump «anzugreifen».

Laut Ned Segal aus dem Finanzvorstand von Twitter hat der Schritt für das Unternehmen nur geringe finanzielle Auswirkungen. «Die Entscheidung basiert auf Prinzipien, nicht auf Geld», sagte Segal.

Mit seinem neuen Kurs setzt sich der Kurzbotschaftendienst Twitter vom weltgrössten Onlinenetzwerk Facebook ab, das politische Werbeanzeigen weiterhin zulässt. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hält die Massnahme nicht für angemessen. «In einer Demokratie halte ich es nicht für richtig, dass Privatunternehmen Politiker oder Nachrichten zensieren», sagte Zuckerberg auf einer Unternehmenskonferenz, deren Mitschrift er bei Facebook veröffentlichte.

Zuckerberg wolle in seinem Netzwerk allen eine «Stimme» geben. Die Reichweiten-Vergrösserung durch Anzeigen sei wichtig für noch unbekannte politische Kandidaten und Gruppen, die von den Medien keine Aufmerksamkeit bekämen. Zudem sei die Grenze schwer zu ziehen: «Würden wir wirklich Anzeigen für wichtige politische Themen wie den Klimawandel oder Frauenförderung blockieren?»

Erst vor wenigen Tagen war Zuckerberg bei einer Anhörung im US-Kongress wegen der Handhabung solcher Anzeigen durch sein Unternehmen unter erheblichen Druck geraten. Die junge Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez löcherte ihn mit Fragen dazu, ob Facebook politische Werbeanzeigen auf ihre Faktentreue hin durchcheckt und offenkundige Lügen entfernen würde. Zuckerberg geriet ins Schwimmen und antwortete vage, dies hänge «vom Kontext» ab.

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