Verhandlungen über Koalition in Israel kurz vor Fristende in der Sackgasse
Kurz vor Ablauf der Frist stecken die Verhandlungen zur Regierungsbildung in Israel in der Sackgasse: Die unter Leitung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geführten Gespräche brachten am Mittwoch keine Fortschritte.
Das Wichtigste in Kürze
- Parlament will gegen 22.30 Uhr über Auflösung abstimmen.
Sieben Wochen nach seiner Wiederwahl blieb Netanjahu nur noch bis Mitternacht (Ortszeit, 23.00 Uhr MESZ) Zeit, Partner für eine Koalitionsregierung zu finden.
Danach könnte Präsident Reuven Rivlin einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen. Um dies zu verhindern, setzte das Parlament auf Antrag von Netanjahus Likud-Partei für 22.30 Uhr MESZ eine Abstimmung über seine Auflösung an. Dies würde Neuwahlen bedeuten. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am Dienstag bereits in erster Lesung gebilligt, die zweite erfolgte am Mittwochnachmittag, die abschliessende Lesung stand noch aus.
Netanjahu strebt eine Koalition rechter und religiöser Parteien an, scheiterte aber bislang am Widerstand von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman und seiner laizistisch-nationalistischen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel). Lieberman hält an seiner zentralen Forderung fest, dass auch ultraorthodoxe Juden wie andere jüdische Israelis den obligatorischen Wehrdienst ableisten müssen. Die ultraorthodoxen Parteien lehnen dies strikt ab. Für eine Mehrheit in der Knesset ist Netanjahu sowohl auf Israel Beitenu als auch auf die Vertreter der Ultraorthodoxen angewiesen.
Um weitere Stimmen für eine Auflösung des Parlaments zu sichern und damit den Druck auf Lieberman zu erhöhen, stimmte Netanjahus Likud am Dienstag einer gemeinsamen Liste mit der Partei Kulanu zu, sollte es Ende August oder September Neuwahlen geben. Netanjahu hatte Lieberman zuvor vorgeworfen, mit seinem Starrsinn «unnötige Neuwahlen» zu riskieren, die ein Vermögen kosten und die Politik weiter lähmen würden. Allerdings zeigte sich der Ex-Verteidigungsminister weiter wenig bereit, von den «Prinzipien seiner Partei» abzurücken.
Zwar ist auch die Mitte-rechts-Liste Blau-Weiss als grösste Oppositionspartei zu einer Koalitionsregierung der nationalen Einheit bereit - doch nur ohne Netanjahu, dem eine Anklage wegen drei Korruptionsaffären droht. Zusammen würden der Likud und die Liste Blau-Weiss von Ex-Generalstabschef Benny Gantz über eine komfortable Mehrheit von 70 der 120 Sitze im Parlament verfügen.
Dass Netanjahu freiwillig auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtet, ist aber nicht zu erwarten. Seine Gegner werfen ihm vor, sich mit aller Macht an sein Amt zu klammern, um im neuen Parlament ein Gesetz durchzubringen, das ihn vor Strafverfolgung schützen würde.
Zwei Optionen bleiben Netanjahu noch: Er könnte vom Präsidenten nochmals einen zweiwöchigen Aufschub erhalten oder versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden. Experten gehen jedoch davon aus, dass Netanjahu lieber Neuwahlen anstrebt, als Rivlin die Wahl zwischen einem weiteren Aufschub oder einem anderen Politiker als Regierungschef zu lassen.