Zehn deutsche Stadtoberhäupter erklären sich zu Aufnahme von Flüchtlingen bereit
Die Stadtoberhäupter von zehn grossen deutschen Kommunen haben sich in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereiterklärt, Flüchtlinge aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Tausende Menschen auf Lesbos nach Bränden in Lager weiter ohne Unterkunft .
In dem Schreiben appellieren sie an Merkel und Seehofer, dafür den Weg zu ebnen, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Donnerstagabend berichtete.
Der Brief wurde demnach von den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern von Bielefeld, Düsseldorf, Freiburg, Giessen, Göttingen, Hannover, Köln, Krefeld, Oldenburg und Potsdam unterzeichnet. Die Stadtoberhäupter bekräftigten darin ihre Bereitschaft, «einen humanitären Beitrag zu einer menschenwürdigen Unterbringung der Schutzsuchenden in Europa» zu leisten: «Wir sind bereit, Menschen aus Moria aufzunehmen, um die humanitäre Katastrophe zu entschärfen.»
Das Bundesinnenministerium lehnt es bislang ab, Flüchtlinge aus Griechenland im deutschen Alleingang aufzunehmen. Es fordert eine gemeinsame europäische Initiative. Seehofer steht deswegen aber unter starkem innenpolitischen Druck. Der Koalitionspartner SPD unterstellte ihm eine Blockadehaltung.
Merkel kündigte inzwischen an, dass Deutschland ebenso wie Frankreich minderjährige Flüchtlinge aus Moria aufnehmen werde. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Verhandlungskreisen erfuhr, geht es um die Verteilung von rund 400 Kindern und Jugendlichen innerhalb der EU. In dem auf der Ägäis-Insel Lesbos gelegenen Lager - dem grössten der Europäischen Union - lebten vor den Bränden allerdings rund 12.000 Menschen.
Merkel sagte bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, sie habe den griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis gefragt, «was wir helfen können». Er habe die Bitte geäussert, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aufzunehmen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigte bei einem Treffen der EU-Mittelmeeranrainerstaaten auf Korsika, dass er mit Merkel eine europäische Initiative zur Flüchtlingsaufnahme plane.
«Wir werden versuchen, eine möglichst grosse Zahl europäischer Länder zu bewegen, Flüchtlinge aufzunehmen, vor allem Minderjährige», sagte Macron. Die Niederlande erklärten sich bereits bereit, rund hundert Menschen aufzunehmen.
Mitsotakis sagte bei dem Treffen auf Korsika, die EU müsse in der Flüchtlingsfrage «von Solidaritätsparolen zu einer Politik des solidarischen Handelns» übergehen. Moria war seit Jahren völlig überfüllt. Die Menschen lebten dort unter teils katastrophalen Bedingungen.
Durch die Brände wurde das Lager fast völlig zerstört. Die am Dienstag ausgebrochenen Feuer vernichteten die innersten Teile des Lagers, in denen etwa 4000 Menschen lebten. Durch ein weiteres Feuer am Mittwoch wurden dann auch jene Teile des Lagers weitgehend zerstört, in denen rund 8000 Menschen in provisorischen Baracken und in Zelten wohnten, wie das Migrationsministerium in Athen mitteilte.
Die Ursachen der Brände waren weiter unklar. Vor dem Ausbruch der ersten Feuer hatte es Proteste gegen die Quarantäne-Anordnung für 35 Lagerbewohner gegeben, die positiv auf das Coronavirus getestet worden waren.
Tausende Flüchtlinge auf Lesbos harrten die dritte Nacht in Folge im Freien aus, oft mit unzureichender Nahrung. Viele der Obdachlosen waren Familien mit kleinen Kindern, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Viele von ihn hatten nicht einmal richtige Decken. «Das ist Europa?» fragte die Syrerin Fatma Al-Hani, während sie ihren zweijährigen Sohn an sich klammerte. «Ich habe genug, ich will, dass mein Baby in Frieden aufwächst», sagte sie unter Tränen.
Anwohner widersetzen sich unterdessen der Errichtung neuer Zelte für die Flüchtlinge, indem sie Strassenbarrikaden errichteten. «Jetzt ist die Zeit, um Moria endgültig zu schliessen», sagte Vangelis Violatzis, Vorsitzender der Gemeinde Panagiouda, zu AFP. Die griechischen Behörden planten derweil, einen Teil der Flüchtlinge vorübergehend auf einer Fähre und zwei Marineschiffen unterzubringen.