Berner Gemeinden sollen künftig selber entscheiden dürfen, ob sie Ausländerinnen und Ausländern das Stimmrecht erteilen. Das letzte Wort hat das Volk.
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Sollen Berner Gemeinden künftig selbst entscheiden können, ob sie Ausländerinnen und Ausländern das Stimmrecht gewähren? Diese Frage wurde heute im Grossen Rat diskutiert. (Symbolbild) - KEYSTONE/Peter Klaunzer

Berner Gemeinden sollen künftig selber entscheiden dürfen, ob sie Ausländerinnen und Ausländern das Stimmrecht erteilen. Der Grosse Rat hat eine interfraktionelle Motion angenommen. Das Parlament stimmte dem Vorstoss am Dienstag mit 77 Ja- zu 73-Nein-Stimmen bei einer Enthaltung zu.

Die Motion, eingereicht von den Fraktionen von SP-Juso, Grüne, EVP und GLP, forderte die fakultative Einführung eines Ausländerstimmrechts für Ausländerinnen und Ausländer auf Gemeindeebene. Die Motionäre argumentierten unter anderem mit demokratischer Teilhabe und der Gemeindeautonomie als hohem Gut.

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Anna Tanner der SP/Juso-Fraktion. - SP Schweiz

«Es ist für eine Demokratie von grosser Bedeutung, dass die Leute mitbestimmen können», sagte Anna Tanner namens der SP/Juso-Fraktion. «Wir sind darauf angewiesen, dass sich die Menschen am Leben beteiligen. Es gehe auf kommunaler Ebene meistens nicht um Partikularinteressen, sondern um Mitsprachemöglichkeit.

Als «nicht zeitgemäss» erachte die Grüne/AL-Fraktion, dass kommunales Mitbestimmen nur durch Einbürgerung möglich sei, so Sprecherin Christa Ammann (AL).

Ausländische Stimmberechtigung

«Das Recht auf Mitbestimmung ist für eine Demokratie von grosser Bedeutung», sagte Hannes Zaugg-Graf für die GLP-Fraktion. «Es öffnet die Türe für den demokratischen Prozess.» Zudem habe ja dann das Volk das letzte Wort.

«Politische Mitsprache ist kein Menschenrecht», befand hingegen Walter Schilt von der SVP-Fraktion. Ausländerinnen und Ausländer stehe das Mittel der Einbürgerung offen für die politische Teilhabe.

Ähnlich argumentierte Pauline Pauli von der FDP-Fraktion: «Für uns ist der Weg der Einbürgerung der richtige Weg.» Der Vorstoss sei zudem zu breit gefasst.

Christoph Auer
Staatsschreiber Christoph Auer: «Der Regierungsrat gewichte das Prinzip der Gemeindeautonomie sehr hoch.» - KEYSTONE/Alessandro della Valle

Auch die Mitte-Fraktion war gegen das Anliegen. Sie beschloss zwar Stimmfreigabe, stimmte aber fast konsequent dagegen. Mithilfe von GLP und EVP schaffte es das linke Lager aber, die Motion durchzubringen.

Die Berner Regierung hatte Annahme beantragt. «Der Regierungsrat gewichte das Prinzip der Gemeindeautonomie sehr hoch», sagte Staatsschreiber Christoph Auer.

Regierungsposition und Volksentscheid

Noch im Jahr 2020 hatte sie sich gegen ein Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer ausgesprochen. 2010 war das Begehren an der Urne wuchtig verworfen worden.

Da die Einführung eines fakultativen, kommunalen Ausländerstimmrechts eine Teilrevision der Berner Kantonsverfassung und des Gemeindegesetzes bedingen, wird sich der Grosse Rat nochmals mit dem Vorhaben befassen. Am Ende wird das Volk entscheiden.

Die Kantone sind gemäss Bundesverfassung grundsätzlich befugt, das Stimmrecht auf kantonaler und kommunaler Ebene selber zu regeln.

In den Kantonen Freiburg, Neuenburg, Jura und Waadt haben Personen aus dem Ausland unter gewissen Bedingungen – dazu gehört etwa die Mindestwohnsitzdauer – bereits das volle Stimmrecht auf Gemeindeebene. Im Kanton Genf dürfen sie an kommunalen Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen, jedoch nicht selber zur Wahl vorgeschlagen werden.

In der Deutschschweiz kennen die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Basel Stadt und Graubünden ein fakultatives Ausländerstimmrecht.

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