Mit separierten Radwegen könnte die Sicherheit von Velofahrenden erhöht werden. Doch bei den meisten Strecken sei das nicht umsetzbar, sagt Stadträtin Brander.
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Für einen massiven Ausbau der Velorouten fehlt in Zürich der Platz. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Radwege, die klar von Autos abgegrenzt sind, sind aus Platzgründen schwer umsetzbar.
  • In der Praxis ist es deshalb oft nötig, diesen Platz den Autos wegzunehmen.
  • Dennoch hält der Stadtrat an dem Vorhaben fest, mehr Vorzugsrouten zu errichten.
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Wer in Zürich mit dem Velo unterwegs ist, lebt gefährlich. 2022 erreichte die Anzahl Velounfälle einen neuen Höchststand. 625 Unfälle verzeichnete die Stadt – eine Zunahme von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 40 Prozent aller Verunfallten im Stadtverkehr waren Velofahrer:innen.

Fahrräder und Autos müssten zu dicht nebeneinander fahren, so ein häufig geäusserter Kritikpunkt. Dabei sollten die Vorzugsrouten gemäss der Volksinitiative grundsätzlich autofrei sein.

Separate Radwege, die sich nicht nur farblich, sondern auch baulich von der Fahrbahn abheben – sogenannte «abgesetzte Radwege» – sind eine Möglichkeit, den Verkehr klar zu trennen. Zum Beispiel, indem der Radweg gegenüber der Autofahrbahn erhöht wird. Eine solche Anhebung gibt es bereits auf der Quaibrücke beim Bellevue.

Die GLP hat kürzlich im Gemeinderat den Ausbau solcher Velowege gefordert und ist damit auf grosse Zustimmung gestossen. Separate Velowege würden die subjektive Sicherheit der Velofahrenden stark erhöhen, argumentierte Mitpostulant Sven Sobernheim (GLP), vom «Tagesanzeiger» zitiert.

Laut Studien würden sich mehr als neun von zehn Personen auf solchen Wegen sicher fühlen. Dies sei entscheidend, damit sich in Zürich Menschen jeden Alters auf das Velo trauten. Eine klare Abgrenzung zum motorisierten Verkehr vermindere auch objektiv die Gefahren des Velofahrens.

Doch die Umsetzung solcher abgetrennten Velowege gestalte sich schwierig, räumte Stadträtin Simone Brander am Donnerstag an der jährlichen Medienkonferenz des Tiefbauamtes ein. Separate Velowege würden zwar viele Vorteile bringen, vor allem im Bereich der Sicherheit.

Aber: «Sie brauchen Platz», so Brander. Platz, der an den meisten Stellen in der Stadt nicht vorhanden sei. Die Umsetzung ginge daher zwangsläufig zulasten des motorisierten Verkehrs, Parkplätze müssten weichen, Fahrspuren verkürzt werden.

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Stadträtin Simone Brander informiert an der jährlichen Medienkonferenz des Tiefbauamts über die kommenden Bauprojekte. - Tsüri.ch / Noëmie Laux

Auf die Quaibrücke folgt die Manessestrasse

Trotz dieses Interessenkonflikts werde an der Umsetzung solcher Radwege festgehalten, so die Stadträtin. Konkrete Zahlen, wie viele wo geplant seien, kann sie zwar nicht nennen, wohl aber ein Beispiel: Im Rahmen der Sanierung der Manessestrasse soll zwischen Sihlcity und Manesseplatz ein durchgehender, vom motorisierten Individualverkehr getrennter Veloweg entstehen. Die Bauarbeiten beginnen im April dieses Jahres und dauern voraussichtlich bis Oktober 2025.

Damit wird ein Beschluss aus dem Jahr 2020 umgesetzt. Zusätzlich zu den neuen Velowegen sind an der Ecke Manessestrasse/Stauffacherquai 100 neue Veloabstellplätze geplant. Ausserdem sollen Fussgänger:innen mehr Platz erhalten und 40 Bäume zur Hitzeminderung gepflanzt werden.

Nutzen Sie in der Stadt gerne das Velo?

Doch das Projekt hat seinen Preis: Neben den Gesamtkosten von knapp sechs Millionen Franken verschwinden am Stauffacherquai und an der Schimmelstrasse 104 von 136 Parkplätze. Das gefällt nicht allen.

Urs Rauber, Präsident des Quartiervereins Wiedikon, meldete bereits vor einem Jahr gegenüber «Zürich24» seine Bedenken an. «Der Einkauf mit dem Auto ist speziell für kinderreiche Familien schwieriger geworden. Dasselbe gilt für Geschäfte und Handwerksbetriebe, denen die Zufahrt zu Liegenschaften erschwert wird», so Rauber.

Kritik, die auch aus dem bürgerlichen Lager kommt. Sie sehen im Postulat der GLP, das den Ausbau von separaten Velowegen fordert, ein verstecktes Mittel, um Autospuren abzubauen. An vielen Stellen in Zürich fehle der Platz für separate Velowege, dieser werde dann den Autos weggenommen, sagte Stephan Iten (SVP) im Gemeinderat.

Zwischen politischen Zielen und praktischen Herausforderungen

So oder so wird die Stadt am Ausbau der 130 Kilometer langen Velovorzugsroute festhalten, die 2020 vom Stimmvolk gutgeheissen wurde und neben der Sicherheit auch eine klimaneutrale Mobilität fördern soll. Es liegt nun an Stadträtin Simone Brander (SP) und ihrem Departement, diese Aufträge umzusetzen.

40 Prozent der CO2-Emissionen, die in der Stadt anfallen, stammen aus dem Bereich Mobilität, betonte sie gegenüber den Medien: Gemäss kommunalem Richtplan sollen die Emissionen aus dem Verkehr bis 2030 auf null gesenkt werden. «Wir fördern weiterhin eine positive Velokultur», so die Stadträtin. Insgesamt befänden sich 91 Projekte in der Umsetzungsphase.

Klarheit über die Effizienz und Sicherheit der schon bestehenden Velovorzugsrouten soll eine erste Evaluation im kommenden April bringen. Wie Brander auf Nachfrage eines Journalisten bestätigte, plant das Departement eine Untersuchung, bei der einerseits die Nutzung gemessen und andererseits durch gezielte Befragungen der Velofahrer:innen mögliche Schwachstellen erkannt und ausgearbeitet werden sollen.

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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autorin Noëmie Laux ist Redaktorin beim Zürcher Stadtmagazin.

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