Kalauz: «Grösste ÖV-Probleme würden durch Tunnel erst geschaffen»
Im zweiten Interview-Teil zur kantonalen Abstimmung zur Umfahrung Zug geht Michel Kalauz (Stadttunnel Nein) näher auf die Probleme des Zuger ÖV ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Kanton Zug wird am 3. März über den Stadttunnel Zug abgestimmt.
- Im zweiten Interview-Teil spricht Michel Kalauz (Stadttunnel Nein) über das Projekt.
- Er fordert unter anderem einen flächendeckenden Ausbau des ÖV.
Im Kanton Zug wird am 3. März 2024 über den Stadttunnel Zug abgestimmt, welcher das Stadtzentrum entlasten soll. Im zweiten Teil des Interviews zur Abstimmung geht Michel Kalauz (Stadttunnel Nein) näher auf die Probleme der Zuger öffentlichen Verkehrsmittel ein.
Nau.ch: Der ÖV soll durch die Umfahrung Zug pünktlicher werden. Erwarten Sie, dass die Bevölkerung durch einen zuverlässigeren ÖV das Auto vermehrt zu Hause lässt?
Michel Kalauz: Der ÖV ist ein sehr gutes Stichwort. Ein flächendeckender Ausbau würde dazu führen, dass das Auto im Vergleich weniger attraktiv ist. Aktuell sind einige Buslinien, selbst im Kerngebiet der Stadt, nicht attraktiv genug und für die hanganliegenden Quartiere kann von guten ÖV-Anschlüssen gar nicht die Rede sein. Ein Ausbau würde den Verkehr viel günstiger und deutlicher reduzieren.
Die grössten Probleme für den ÖV würden durch den Tunnelbau erst noch geschaffen. Wenn man bedenkt, dass es zukünftig mit der Gubel-Strasse eine Verkehrs-Hauptschlagader geben soll und alle Busse diese vom ZVB-Areal aus passieren müssen, sehe ich für einen guten, pünktlichen öffentlichen Verkehr schwarz. Fast alle Busse werden die neue vierspurige Stadtautobahn befahren müssen.
«Kapazitäten in den Bussen sind bereits heute voll ausgereizt»
Nau.ch: Welche weiteren Probleme sehen Sie beim ÖV?
Kalauz: Durch den Bau des Zimmerberg-Basis-2-Tunnels wird noch vor der Autotunneleröffnung in der Stadt Zug der Viertelstundentakt nach Zürich-Luzern eingeführt. Daher muss der Feinverteiler, also der lokale öffentliche Verkehr, stark ausgebaut werden. Dafür werden wir jeglichen Platz und Kapazitäten um den Bahnhof Zug brauchen, um den Zugreisenden die Weiterfahrt in den Bussen zu ermöglichen und diese sind heute bereits voll ausgereizt.
Wenn man sich vorstellt, dass dann noch die Bushaltestelle Landis & Gyr / Bahnhof wegfallen könnte, dann muss die Frage gestellt werden, wo diese zusätzlichen Busse um den Bahnhof halten sollen? Beim Metalli fehlt der Platz dafür, der Bahnhofplatz als Bushaltestelle ist laut städtischer Raumentwicklung nicht mehr angedacht.
«Visualisierungen und verkehrsfreie Vorstadt sind attraktiv und eine schöne Vision»
Nau.ch: Laut Befürwortenden wird der Tunnel für mehr Begegnungszonen, Grünflächen und weitere Vorteile für die ganze Bevölkerung sorgen. Teilen Sie diese Aussagen?
Kalauz: Ich glaube, dass wir uns von Contra- und Pro-Seite einig sind, dass wir mehr Begegnungszonen, mehr Grünfläche und mehr Platz für den Langsamverkehr wünschen. Auch die schönen Visualisierungen von der verkehrsfreien Vorstadt sind attraktiv und eine schöne Vision.
Jedoch hängt dieser Wunsch nicht vom Tunnel ab. Einerseits habe ich bereits erwähnt, dass dies heute auch ohne Tunnel möglich wäre und ausserdem stimmen wir beim Stadttunnel nicht über diese verkehrsfreie Promenade ab. Wir stimmen ausschliesslich über den Tunnel ab, nicht über die flankierenden Massnahmen.
Diese würden die Grundvoraussetzungen schaffen, um zu verstehen, wie beispielsweise verhindert werden soll, dass der Verkehr, trotz Tunnel, nicht weiter durch die Stadt rollt. Oder wie verhindert wird, dass der massive Mehrverkehr aus dem Gubel-Loch nicht die General-Guisan-Strasse ins Herti-Quartier schwemmt. Der komplette Satz an Massnahmen gegen Mehrverkehr in den Quartieren, für verkehrsfreie Räume und innerstädtische Verkehrsberuhigung fehlt.
Nau.ch: Nebst dem Stadttunnel Zug wird im Kanton auch über die Umfahrung Unterägeri abgestimmt. Stimmen Sie dem Anliegen zu?
Kalauz: Wir sehen die gleichen Probleme für den Tunnel im Ägeri-Tal wie für den Stadttunnel. Es fehlen die flankierenden Massnahmen und auch aktuelle Verkehrsmessungen, gerade nach dem Verkehrszahlen-Skandal in der Stadt Zug. Ohne diese ist eine objektive Betrachtung und eine Kosten-Nutzen-Analyse einfach nicht möglich.
Beide Projekte wurden überstürzt zur Abstimmung gebracht. Ohne ein sauberes Mobilitätskonzept und die dazugehörenden flankierenden Massnahmen, welche die vielen offenen Fragen klären, gehören solche Projekte abgelehnt und mit «Quittung» zurück an den Absender. Deshalb am 3. März zweimal Nein für beide Tunnel.
Zur Person: Michel Kalauz (37) ist als Mitglied und im Vorstand des Komitees «Stadttunnel Nein» tätig. Er ist ausserdem Mitglied der Geschäftsleitung der SP Zug, arbeitet als Betriebsökonom und wohnt in Zug.