Thun setze die Istanbul-Konvention derzeit ungenügend um, sagt Alice Kropf (SP) im Interview. Sie fordert Massnahmen und zusätzliches Geld.
Frauenstreik Gewalt Istanbul-Konvention
Eine Frau mit der Aufschrift «GEWALT IST NIE PRIVAT» auf ihrem Schirm nimmt teil am Frauenstreik in Basel. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ziel der Istanbul-Konvention ist es, Gewaltdelikte zu verhindern.
  • Die Stadt Thun hat zur Umsetzung des Übereinkommens 2023 bereits ein Postulat behandelt.
  • Mit einem Postulat will Alice Kropf (SP) zusätzliche Gelder für Massnahmen schaffen.
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Mit der Istanbul-Konvention sollen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt verhindert werden. Das Übereinkommen beruht auf den Säulen Gewaltprävention, Gewaltschutz, Strafverfolgung und Integrativer Ansatz. Die Stadt Thun hatte 2023 bereits ein Postulat zur Umsetzung der Istanbul-Konvention für erheblich erklärt.

Alice Kropf (SP) will Gelder schaffen, um konkrete Massnahmen umsetzen zu können und diesbezüglich ein weiteres Postulat eingereicht. Nau.ch hat mit ihr über das Anliegen gesprochen.

Nau.ch: Setzt die Stadt Thun die vier Säulen der Istanbul-Konvention zum jetzigen Zeitpunkt genügend um?

Alice Kropf: Nein. Die bisherigen Massnahmen, welche aufgrund eines ähnlichen Postulates initiiert wurden, folgen keinem klaren Konzept, geschweige denn einem Aktions- und Massnahmenplan mit dazugehörigem Budget.

Alice Kropf SP Thun
Alice Kropf ist Thuner SP-Stadträtin. - zVg

Nau.ch: Das Postulat fordert zusätzliche Massnahmen, um Gewaltdelikten vorzubeugen und Opfer von Gewalt besser zu unterstützen. Dazu sollen mindestens 150'000 Franken ins Budget aufgenommen werden. Befürworten Sie diese Forderung?

Kropf: Ja. Ich verfasste das Postulat und eine Mehrheit der zuständigen Sachkommission aus SP, Grüne, EVP und die Mitte half mit beim Einreichen. Das zeigt, das Problem wurde auch von der politischen Mitte erkannt und das Anliegen des Postulates findet breite Unterstützung – ausser von den Rechtsbürgerlichen.

«Es braucht zusätzliches Geld»

Nau.ch: Der Gemeinderat lehnt das Postulat ab. Die Stadt Thun nehme mit umgesetzten und geplanten Massnahmen ihre Verantwortung zur Verhinderung von häuslicher Gewalt bereits wahr. Teilen Sie diese Einschätzung?

Kropf: Jede Massnahme, die bis jetzt ergriffen wurde, ist gut und richtig. Es braucht jedoch mehr davon und es braucht zusätzliches Geld. Es darf nicht sein, dass stattdessen bei anderen wichtigen städtischen Aufgaben Mittel gekürzt werden. Verglichen mit anderen Ausgaben, beispielsweise im Bauwesen, sind die 150'000 Franken ein verschwindend kleiner Betrag.

Schweiz Femizide Istanbul-Konvention
Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu Femiziden. (Symbolbild) - keystone

Dass dem Gemeinderat sogar das zu viel ist, zeigt: Das Thema häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt geniesst keine Priorität, obwohl es um unfassbares Leid, auch für involvierte Kinder, und mitunter um Leben und Tod geht – Stichwort Femizide. Weiter erstaunlich ist die Ablehnung allerdings nicht, besteht doch die Thuner Stadtregierung aus einer absoluten SVP-Mehrheit.

Braucht es in Thun zusätzliche Massnahmen, um Gewaltdelikte zu verhindern und Opfer von Gewalt besser zu unterstützen?

Nau.ch: Welche Massnahmen braucht es Ihrer Meinung nach, um Menschen, insbesondere Frauen, besser vor Gewalt zu schützen?

Kropf: Es braucht viel mehr Prävention, bereits in der Schule. Wir wissen, dass Prävention nur wirksam ist, wenn sie flächendeckend umgesetzt wird. Ein Beispiel dazu wäre eine Kampagne und Massnahmen gegen Belästigung im öffentlichen Raum.

Opfer von Gewalt brauchen Schutz und Unterstützung. Um zu wissen, wo sich Betroffene melden können, braucht es die flächendeckende Abgabe von Informationsmaterial zu Unterstützungsangeboten bei häuslicher und sexualisierter Gewalt.

Zur Person: Alice Kropf (51) ist Thuner SP-Stadträtin. Sie ist diplomierte Pflegefachfrau Psychiatrie HF und wohnt in Thun.

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