Liberales Komitee kämpft gegen Versicherungsdetektive
Das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten wird arg kritisiert. Das Schützen der Privatsphäre sei dabei nicht ernst genug genommen worden.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten wird von mehreren Seiten bekämpft.
- Ein liberales Komitee unter der Leitung der Jungen Grünliberalen stellt sich auch dagegen.
- Das Gesetzt sei «schludrig formuliert», meinen Vertreter des Komitees.
Das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten wird nicht nur von einem Bürgerkomitee und linken Parteien bekämpft. Auch ein liberales Komitee stellt sich dagegen. Es spricht von einem «Blankoscheck» für Versicherungsdetektive.
Dem Komitee unter der Leitung der Jungen Grünliberalen gehören Vertreterinnen und Vertreter des Jungfreisinns, der CVP und der GLP an. Am Donnerstag legten sie vor den Medien ihre Argumente dar.
Dass Missbrauch bekämpft werden soll, stellt das liberale Komitee nicht infrage. Dies sei nötig, um bei den Sozialversicherungen einen effizienten Mitteleinsatz gewährleisten zu können, hält es fest. Gleichzeitig müsse aber die Privatsphäre von Versicherten geschützt werden.
Aus liberaler Sicht seien die individuellen Freiheitsrechte zentral, sagte Benjamin Gautschi, Mitglied der Jungen Grünliberalen Zürich und Co-Präsident des Komitees. Einschränkungen seien auf ein absolutes Minimum zu beschränken und müssten verhältnismässig sein. Das Gesetz erfüllt diese Anforderungen aus Sicht des Komitees nicht.
«Schludrig formuliert»
«Dieses Gesetz wurde sehr schludrig formuliert», sagte Alain Schwald, Vizepräsident der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich. Die entscheidenden Punkte seien nicht klar geregelt. Da stelle sich die Frage, ob auch Schlafzimmer eingesehen werden könnten.
Im Gesetz steht, die Person müsse sich an einem allgemein zugänglichen Ort befinden oder an einem Ort, der von einem solchen aus frei einsehbar ist. Aus Sicht des Bundesrats wäre es nicht erlaubt, eine Person von der Strasse aus in ihrem Schlafzimmer zu beobachten. Viele Juristen sähen das aber anders, sagte Schwald.
Keine klaren Regeln zu Drohnen
Die Formulierung im Gesetz lasse schlicht zu viel Interpretationsspielraum offen, kritisieren die Gegnerinnen und Gegner. Das gelte auch bei der Frage des Einsatzes von Drohnen für Videoaufzeichnungen. Hier hätte das Parlament Bedenken mit einer Ergänzung des Gesetzestextes ausräumen müssen.
Aus Sicht des Bundesrats wären Drohnen als Instrument zur Standortbestimmung mit richterlicher Genehmigung zwar zulässig, aber nicht zum Erstellen von Bild- und Tonaufnahmen. Im Parlament hiess es dazu, die Interpretation sei Sache der Gerichte. «Für den Stimmbürger ist das eine Katastrophe», sagte Schwald. «Er weiss nicht, worüber er abstimmt.»
In der Rolle von Polizei und Gericht
Ein weiteres Problem sieht das liberale Komitee darin, dass Sozialversicherungen eigenmächtig Überwachungen anordnen dürften. Sie nähmen damit sowohl die Rolle der Polizei als auch jene des Richters ein. Das sei rechtsstaatlich bedenklich.
Die Privatermittler hätten ein Interesse daran, Resultate zu liefern, um weitere Aufträge zu erhalten, gab Fiona Wiedemeier von den Jungen Grünliberalen zu bedenken. Das stehe einer neutralen Wahrheitsfindung entgegen. Es gebe keinen Grund, weshalb die Sozialversicherungen nicht den normalen Weg über die Strafverfolgungsbehörden gehen sollten.
Bürgerkomitee ergriff Referendum
Insgesamt sieht das liberale Komitee im Gesetz einen «offenen Angriff» auf die Privatsphäre. Es sei schleierhaft, warum dieser bei den Sozialversicherten - zu denen alle gehörten - hingenommen werden sollte, sagte Adrian Lipkovits, Co-Präsident der Jungfreisinnigen Baselland.
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheiden am 25. November über die Vorlage. Im Parlament stellten sich SP und Grüne dagegen; das Referendum ergriff ein Bürgerkomitee. Dieses hat auch eine Beschwerde gegen die Darstellung der Vorlage im Abstimmungsbüchlein eingereicht.
Die IV und die Suva hatten schon früher Versicherte observieren lassen. Vor zwei Jahren kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber zum Schluss, dass dafür keine ausreichende gesetzliche Grundlage bestehe. In der Folge mussten die Observationen eingestellt werden.