Werbung gegen längere Ladenöffnungszeiten erinnert an alte Zeiten

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Basel,

Dass Frauen nach Hause zu ihren Kindern gehören, klingt nach einem alten, rechten Argument gegen Gleichberechtigung. Bemüht wird es gerade von den Linken.

Abstimmungsplakat gegen das Frauenstimmrecht (1946, BS/BL): «Muetter, wenn chunsch hei?» Und das Abstimmungsplakat gegen längere Ladenöffnungszeiten (2018): «Der Samstagabend gehört der Familie!»
Abstimmungsplakat gegen das Frauenstimmrecht (1946, BS/BL): «Muetter, wenn chunsch hei?» Und das Abstimmungsplakat gegen längere Ladenöffnungszeiten (2018): «Der Samstagabend gehört der Familie!» - nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Komitee «Mein Samstag» setzt sich gegen längere Ladenöffnungszeiten in Basel-Stadt ein
  • Das Plakat-Sujet zielt auf Familie und erinnert an die Plakate gegen das Frauenstimmrecht.

Ein Kind zerrt seine Mutter von der Arbeit weg nach Hause, denn «der Samstagabend gehört der Familie». Ein Plakat-Sujet, wie man es in modernen Zeiten, wo Frauen und Männer sich optimalerweise zu gleichen Teilen um den Nachwuchs kümmern und Familie und Job vereinbar sein sollten, nicht erwartet.

Das dachte sich Basler SVP-Grossrat Alexander Gröflin: «In einem emanzipierten Haushalt ist es doch selbstverständlich, dass der Mann sich um das Kind kümmert, wenn die Frau bei der Arbeit ist. Ich bin erstaunt, dass die gleiche Szene nicht zumindest auch mit einem Mann gedruckt worden ist.» Das Bild impliziere, dass es nur die Frau sei, die sich um die Kinder kümmern müsse. «Und der Mann sitzt irgendwo und trinkt ein Bier – wie in den Fünfzigern, oder was?»

Eines der Wahlplakate gegen längere Ladenöffnungszeiten in Basel-Stadt.
Eines der Wahlplakate gegen längere Ladenöffnungszeiten in Basel-Stadt. - meinsamstag.ch

In Basel wird bald über zwei Stunden längere Ladenöffnungszeiten am Samstagabend abgestimmt. Das Plakat wirbt dagegen. «In anderen Kantonen und im Ausland sind die Ladenöffnungszeiten längst länger. In Basel stirbt die Stadt um 17 Uhr aus, weil alle wissen, dass die letzten Läden so oder so um 18 Uhr schliessen. Das ist für die Innenstadt sehr ungesund», so Gröflin.

Längere Ladenöffnungszeiten schaden den Schwächsten

«Wir wollen mit dem Sujet zeigen, dass längere Ladenöffnungszeiten die Schwächsten treffen: Die Zweitverdienenden, die arbeiten müssen, weil es sonst einfach nicht reicht - und das sind eben sehr oft Mütter», erklärt Lisa Mathys. Die SP-Grossrätin ist Teil des Komitees «Mein Samstag», das gegen eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten in Basel Stadt kämpft und das Plakat-Sujet entworfen hat.

Das Plakat gegen das Frauenstimmrecht von 1946 in BS und BL.
Das Plakat gegen das Frauenstimmrecht von 1946 in BS und BL. - Hugo Laubi

Man habe sich – neben anderen Sujets – auch für die Verkäuferin entschieden, weil sie eine Mehrheit darstellt: 66.4 Prozent aller Angestellten im Detailhandel sind laut Zahlen der Gewerkschaft Unia Frauen. Dass die Verbindung Frau und Kind an die alten Wahlplakate gegen das Frauenstimmrecht erinnern mag, die unter anderem der Slogan «Muetter, wenn chunsch hei» zierte, findet Mathys «spannend».

Man habe bei der Sujetwahl allerdings nicht an ein konservatives Familienbild gedacht, sondern das Kind ausgewählt, weil «der Samstagabend für viele Familien wirklich eine der wenigen Gelegenheiten ist, Zeit zusammen verbringen zu können.» Wenn dann ein Elternteil bis 20 Uhr arbeite, sei das Familienleben vorbei und die Kinder im Bett.»

Auch im Ausland ein Fehler

Dass die Ladenöffnungszeiten im Ausland längst genau so aussehen, ist für Mathys kein Argument: «Nur, weil es andere so machen, heisst das noch lange nicht, dass wir auch müssen. Es ist auch im Ausland nicht familienfreundlich.» Dass die Verkäufer auswählen können, wann sie arbeiten, sei eine Illusion. «Ich habe selber eine Lehre im Detailhandel gemacht. Da bekommt man seine Schichten zugeteilt. Ein Wunschkonzert ist das nicht.»

Das Plakat mit Frau und Kind ist allerdings nicht das einzige Sujet der Nein-Kampagne. Es gibt auch noch ein Plakat, das eine Männerhand zeigt, die auf dem Smartphone die Kumpels vertrösten muss und dadurch das gemeinsame Anstossen verpasst.

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Das zweite Sujet des Komitee «Mein Samstag» gegen längere Ladenöffnungszeiten am Samstag. - Mein Samstag

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