Zunahme von Schulabsenzen seit Pandemie kann schwere Folgen haben

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Es trifft im Schnitt ein Kind pro Klasse: Punktuelle oder gar monatelange Absenzen nehmen seit der Pandemie zu.

Schule Absenz Wandtafel Stuhl
Eine beschriebene Wandtafel, eine Schulbank und ein Stuhl aufgenommen in einem Mathematikzimmer der Bezirksschule am 25. September 2014 in Suhr AG. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer häufiger gibt es Kinder, die der Schule fernbleiben.
  • Die Schulen warnen: So fehlt die Sozialisation.
  • Oft sind unterschwellige Ängste oder Depressionen die Ursache.

In Schweizer Schulzimmern bleiben immer öfter, immer mehr Plätze leer. Die Pandemie hat eine Welle von Abwesenheiten ausgelöst, die oft auf psychische Probleme zurückzuführen sind und schwerwiegende Folgen haben können.

Im Schnitt ein Kind pro Klasse

«Seit der Corona-Pandemie haben Abwesenheiten stark zugenommen – in der ganzen Schweiz», sagt Monique Bovay in der «Berner Zeitung». Sie leitet den Oberstufenbereich bei den Schulen von Rüegsau BE. Im Durchschnitt sei ein Kind pro Klasse betroffen.

Die «Berner Zeitung» nennt drei fiktive, aber typische Beispiele. «Lars», ein 5-jähriges Kindergartenkind, dessen Vater oft Vorwände nutzt, um ihn freitags abzumelden. So kann er mehr Zeit mit ihm verbringen; ein Ritual, das fast schon zur Gewohnheit geworden ist.

Schulhefte Rechnen Primarschule
Schulhefte liegen auf einer Mappe mit der Aufschrift «Rechnen» im Klassenzimmer der Klasse 3c an der Primarschule Gotthelf in Basel, fotografiert am 17. Mai 2023. - keystone

«Anna-Maria», 3. Klasse, ist beim Kopfrechnen unterfordert und erfindet deshalb immer wieder Ausreden, um dem Mathematikunterricht fernzubleiben.

Oder «Linus» (13), der keine Lust auf Schule hat. Bei ihm liegt es nicht am Unterricht selbst, sondern an den Pausen und dem Mobbing durch seine Mitschüler. Seit drei Wochen ist er wegen «psychosomatischer Beschwerden» krankgeschrieben.

«Schwänzen» wegen Depressionen: Gravierende Folgen

Im Kanton Bern wird das Problem des Schulabsentismus immer häufiger, wie Schulen und Fachstellen gegenüber der «Berner Zeitung» bestätigen.

Dabei gehe es aber weniger um gelegentliches Schulschwänzen von trotzigen Jugendlichen. Denn das Phänomen trete vermehrt auch in der Primarschule auf und beginne teilweise schon im Kindergarten.

schule
Laut dem Stadtrat hat sich die Anzahl der Schulkinder im Einzugsgebiet in den letzten Jahren «dynamischer entwickelt» als vorgesehen. (Symbolbild) - Marijan Murat/dpa

Manche Kinder blieben gar mehrere Monate lang fern – oft wegen Depressionen, besonders in der Oberstufe. Mit gravierenden Folgen: Wer lange dem Unterricht fernbleibt, hat laut Forschung ein höheres Risiko, die Schule vorzeitig abzubrechen. Die Chancen auf eine Lehrstelle sinken erheblich. Das Fehlen kann sich also auf das gesamte weitere Leben auswirken.

Schulabsentismus: Ein komplexes Problem

Franziska Templer, Dozentin an der PH Bern und Forscherin zum Thema Schulabsentismus, betont: «Die Schule ist mehr als Unterricht; sie ist auch eine Sozialisationsinstanz.» Daher sei es wichtig herauszufinden, was hinter dem exzessiven Fehlen steckt.

Rücksäcke Garderobe Schule
Rucksäcke hängen an der Garderobe, am ersten Schultag in der Unterstufenschule Neufeld in Thun BE, am 14. August 2023. - keystone

Es gebe viele mögliche Gründe für Schulabsentismus. Manche Schüler weigerten sich schlichtweg, die Schule zu besuchen. Andere Faktoren können das Problem verstärken, wie zum Beispiel die Reaktion einiger Eltern.

Die Rolle der Eltern und Schulen

Nina Geiser Werren, Leiterin der Erziehungsberatung in Ittigen BE, sagt: «Die allermeisten Eltern engagieren sich stark dafür, dass ihr Kind wieder zur Schule geht.» Doch manchmal handelten sie aus dem Wunsch heraus, ihr Kind vor negativen Gefühlen zu schützen. Dies könne jedoch zu einem Teufelskreis führen: «Je länger ein Kind der Schule fernbleibt, desto aufwendiger wird es, dieses Verhalten wieder zu ändern.»

Sind Sie gerne zur Schule gegangen?

Auch die Schulen hätten eine Verantwortung und dürfen nicht einfach abwarten – auch wenn ein Kind offiziell krankgeschrieben ist. In solchen Fällen muss der Wiedereinstieg intensiv begleitet werden. Idealerweise geschehe dies durch eine gut vernetzte Fachstelle, wie zum Beispiel die Erziehungsberatung.

Lösungsansätze gegen den Schulabsentismus

In Rüegsau BE begegnet man dem wachsenden Schulabsentismus mit vermehrter Kommunikation. Bei gehäufter Abwesenheit gibt es Gespräche zwischen Lehrperson und Eltern. So will man herausfinden, was hinter dem häufigen Fernbleiben steckt und ob man etwas dagegen unternehmen kann.

Kreide Wandtafel Schule
Kreiden und Lappen liegen unter der Wandtafel im Klassenzimmer der Klasse 3c an der Primarschule Gotthelf in Basel, fotografiert am 17. Mai 2023. - keystone

«Wir versuchen zum Beispiel herauszufinden, an welchem Wochentag sich ein Kind besonders wohlfühlt in der Schule», sagt Monique Bovay. Das Ziel ist es, dass es dann zumindest an diesem Tag erscheint. Und von da aus wird die Präsenz langsam ausgebaut.

Kommentare

User #6010 (nicht angemeldet)

ach schon wieder etwas gefunden um zu dramatisieren.

User #3220 (nicht angemeldet)

Warum sollen die Kinder in die Schule? In der Schweiz bekommen auch Menschen die sich nicht anstrengen, alles was es braucht zum Leben. Inklusive Krankenversicherung. Deshalb ist die Schweiz so begehrt!

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