So wehren Sie sich gegen Überstunden im Job
Überstunden schaufeln gehört offenbar bei der Mehrheit von Schweizer Arbeitnehmern dazu. Doch es gibt allen Grund und Möglichkeit, sich zu wehren.
Das Wichtigste in Kürze
- Stress und psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz nehmen zu, sagt Travailsuisse.
- Auch leistet eine Mehrheit der Arbeitnehmer oft bis sehr häufig Überstunden.
- Ein Arbeitsrechts-Professor erklärt, wie sich Arbeitnehmer wehren können.
Der Nine-to-Five-Job ist passé. Immer mehr Unternehmen führen flexible Arbeitszeiten ein. Doch nicht ohne Folgen. Wie die neueste Erhebung von Travailsuisse zeigt, gibt erstmals eine Mehrheit der Arbeitnehmenden an, oft oder sehr häufig Überstunden zu leisten.
Nicht zuletzt aufgrund der flexibleren Arbeitszeiten, durch welche viele den Überblick über ihre Stunden verlieren würden, sagt Travailsuisse auf Nachfrage. Der Anteil habe sich gar markant erhöht, während Arbeitgeber immer weniger Überstunden schaufeln würden.
Doch das kann sich ändern, erklärt Roger Rudolph, Professor für Arbeits- und Privatrecht an der Uni Zürich.
Überstunden werden teils erwartet
Der Professor betont: Überzeit ist nicht dasselbe wie Überstunden. Letzteres bedeutet die Überschreitung der vertraglich festgelegten Normalarbeitszeit bis zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Sprich: Der Arbeitnehmer arbeitet mehr als im Arbeitsvertrag definiert.
Überzeit hingegen sind Überstunden, welche die gesetzliche Höchstarbeitszeit übersteigen. Diese betragen je nach Branche zwischen 45 und 50 Stunden pro Woche.
Rudolph hält fest: «Überstunden werden nicht nur von vielen Arbeitgebern erwartet, sondern der Gesetzgeber selber verpflichtet die Arbeitnehmer im zumutbaren Rahmen dazu.»
Überstunden müssen vom Chef erfasst werden
Besonders wichtig: Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen, somit auch Überstunden. «Die Erfassungspflicht gilt ganz unabhängig von den vertraglichen Grundlagen.» Seit Anfang 2016, als die Erfassungspflicht modifiziert wurde, würden auch die Behörden genauer hinschauen.
«Sehr viele Unternehmen haben seither eingesehen, dass sie um diese schon seit langem bestehende Pflicht nicht herumkommen.» Tun sie es nicht, können Arbeitnehmer dies verlangen, wofür sie dem Arbeitgeber am besten eine Frist setzen.
«Nützt das auch nichts, besteht die Möglichkeit, das kantonale Arbeitsamt zu informieren, das dann im Betrieb eine Kontrolle durchführen und die Zeiterfassung notfalls auf dem Verfügungsweg anordnen kann.»
So wehrt man sich beim Chef
Wem die Überstunden jedoch Kopfweh bereiten, sollte zuerst den Chef darauf aufmerksam machen. Mit dem Argument, «dass Überstunden immer nur im zumutbaren Rahmen verlangt werden können».
Dieser Rahmen lässt jedoch viel Spielraum offen. Daher könne man generell sagen: «Wenn über Monate oder gar Jahre regelmässig Überstunden in grösserem Ausmass notwendig werden, ist das nicht mehr zumutbar.» Das gilt schon viel früher, «wenn besondere Umstände beim Arbeitnehmer wie z.B. Mehrfachbeschäftigung oder Erziehungspflichten hinzutreten, die es schlicht nicht zulassen, dass man regelmässig länger im Betrieb sein muss».
Nützt die Vorsprache beim Arbeitgeber nichts, «besteht die Möglichkeit, nach vorgängiger schriftlicher Abmahnung und Fristansetzung die Mehrarbeit zu verweigern». Dabei geht man jedoch das Risiko ein, dass beispielsweise ein Gericht die Überstunden doch als zumutbar einstuft. Dann könnte der Arbeitgeber aufgrund «ungerechtfertigter Arbeitsverweigerung» den Arbeitnehmer fristlos entlassen.