China und Doping: Sündenfall «darf nicht passieren»
Die Winterspiele, Doping und China sind ein heikles Thema. Erinnerungen an den Probenaustausch im Labor von Sotschi werden wach. DOSB-Präsident Weikert mahnt: So etwas darf nicht wieder passieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Furcht vor einer Wiederholung des erschütternden Dopingskandals bei den Winterspielen in Sotschi ist acht Jahre später geblieben.
Ist ein ähnlicher Sündenfall auch in Peking möglich und den Chinesen zuzutrauen? «So etwas wie in Sotschi darf nicht mehr passieren», betont Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die russischen Gastgeber hatten damals mit Hilfe des Geheimdienstes und einem Loch in einer Wand des Dopingkontrolllabors Proben eigener Athleten ausgetauscht.
Viele Spekulationen
Ob China wie einst Russland mit Doping nachhelfen wird, um als Gastgeber sportlich zu glänzen, bleibt Spekulation. «Es ist schwer, etwas Valides darüber zu sagen. Dafür fehlen die Kontakte, um sich ein eigenes Bild zu machen», sagt Andrea Gotzmann, Vorstandschefin der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Für 2020 meldete Chinas Anti-Doping-Agentur 14.072 Dopingtests und so gut wie keine Fälle.
Die vor Jahren aus China geflüchtete Sportärztin Xue Yinxian berichtet seit Jahren von systematischem Doping, das es in den 1980er und 1990er Jahren in ihrem Heimatland gegeben habe. Ob es so war und es eine Kehrtwende gab, ist ebenso wenig belegt wie die konkrete Umsetzung der Ankündigung Chinas von Dezember 2018, Dopingsünder zukünftig ins Gefängnis zu stecken. «Es ist unser Wille, der Welt zu zeigen, dass wir den Anti-Doping-Kampf ernst nehmen und konkrete Massnahmen umsetzen», wurde Chinas Sportminister Gou Zhongwen damals zitiert.
Die deutschen Olympia-Starter müssen zumindest während der Winterspiele in Peking nicht zu Vegetariern werden. «Das sicher nicht», versichert Gotzmann. Dabei hatte die Nada vor Fleischverzehr in China gewarnt, weil dort bei der Tiermast Missbrauch mit dem verbotenen Doping-Mittel Clenbuterol betrieben wird. Das Problem ist seit 2010 bekannt, nachdem der deutsche Tischtennis-Weltklassespieler Dimitrij Ovtcharov nach Fleischkonsum in China positiv getestet worden war.
Abgeschirmt in einer Blase
«In den olympischen Dörfern können wir aufgrund der Erfahrungen bei den Sommerspielen 2018 in Peking vom Angebot kontrollierten Fleisches ausgehen», erklärt Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig. Zudem werden alle Olympia-Beteiligten abgeschirmt von der Aussenwelt in einer Blase sein. Essen in Garküchen ist deshalb ohnehin nicht möglich.
Grössere Probleme werden Doper haben, wenn sie das Blutdopingmittel Epo zur Leistungssteigerung und Betrug nutzen. Mit einer verfeinerten Analytik bleibt das mit «effektivste Doping in den vergangenen Jahrzehnten» kaum noch unentdeckt, sagt Gotzmann: «Heute ist es ein grosses Risiko, erwischt zu werden.»
Ob die Blutaustausch-Methode, mit der ein Erfurter Arzt international illegale Geschäfte («Operation Aderlass») machte - bis es aufflog und er verurteilt wurde -, auch von anderen betrieben und genutzt wird? «Man darf nie, nie sagen», meint sie. «Ich glaube schon, dass es immer noch eine hohe kriminelle Energie geben kann.»
Die könnte auch der Antrieb für Gendoping sein, dessen Existenz und Nutzung weitgehend im Dunkeln liegt. «Es gibt wenige klinisch erprobte Substanzen, mit denen man Gendoping betreiben könnte. Man ist sich dieser Problematik bewusst», sagt Gotzmann. «Aber das ist ein hohes Risiko, vor dem wir nur warnen können.»
Corona-Impfstoffe ohne Doping-Mittel
Entwarnung gibt es zu Mutmassungen, Corona-Impfstoffe könnten Doping-Substanzen enthalten. «Nein, das ist nicht der Fall», so die Nada-Chefin. Die Welt-Anti-Doping-Agentur habe die auf der Welt eingesetzten Impfstoffe überprüft. Grosse Testlücken, die es vor den Sommerspielen in Tokio durch die Pandemie gab, seien mit Blick auf Peking ebenso kein Problem gewesen - zumindest in Deutschland. Die 149 deutschen Sportler werden «sehr gut getestet, sehr gut informiert» in China an den Start gehen, betont Gotzmann.
Vor den Winterspielen hat die Internationale Test-Agentur (Ita) nach «einer systematischen Risikobewertung der potenziell teilnehmenden Athleten aus allen Sportarten» mehr als 5400 Empfehlungen für die Doping-Kontrollen der erwarteten rund 2900 Olympia-Starter gegeben, teilte die Ita mit. Mit diesen «erkenntnisgestützten und gezielten Test-Empfehlungen» würden im globalen Bemühungen um saubere und faire Spiele «Testlücken in dieser sensiblen Phase» vermieden. Vor den Pyeongchang-Spielen 2018 waren es 3500 Empfehlungen.
Das immer grössere und engmaschigere Kontrollnetzwerk und die verfeinerten Analysemethoden lassen Dopern immer weniger Spielraum zum Betrug. Ist dieses Abschreckungspotenzial so hoch, dass junge Talente das Doping-Risiko nicht mehr eingehen wollen? «Es bleiben Zweifel und das angewöhnte Misstrauen gegenüber Höchstleistungen», sagt der Pharmakologe und Dopingexperte Fritz Sörgel, der aber auf eine andere Entwicklung hinweist. «Wenn man alle legalen Mittel, Ernährung oder optimierte Trainingsmethoden nutzt, muss man nicht mit schweren Doping-Mitteln arbeiten. Ich will nicht sagen: dopingfrei.»