Federers Zittersieg - Keine «Sunday-Night-Party» für Görges
Julia Görges scheidet in der dritten Runde der Australian Open aus. Die 31-Jährige ist aber nicht die einzige etablierte Spielerin, die eine Niederlage einstecken muss. Ein Teenager dagegen verblüfft. Roger Federer wendet eine Niederlage gerade noch ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach einem irren Tennis-Spektakel holte sich Roger Federer ein Küsschen von seiner Frau ab.
Erleichtert umarmte der Schweizer beim Gang aus der Rod-Laver-Arena seine Mirka.
Mit einem Zittersieg in einem wilden Fünf-Satz-Krimi wendete der 38-Jährige ein Drittrunden-Aus bei den Australian Open noch ab und setzte damit den Schlusspunkt unter einen aufregenden Tennis-Tag mit grossen Abschieden. Anders als Serena Williams, Caroline Wozniacki und Julia Görges zog Federer am Freitag doch noch ins Achtelfinale ein.
Mit 4:6, 7:6 (7:2), 6:4, 4:6, 7:6 (10:8) rang Federer um kurz vor 1.00 Uhr Ortszeit den stark aufspielenden Australier John Millman nieder. «Das war schwierig. Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Zum Glück war es ein Super-Tiebreak. Ansonsten hätte ich verloren», sagte er nach seinem 100. Sieg bei den Australian Open.
Sechs Punkte in Serie und seine Nervenstärke retteten ihn am Ende, mit 4:8 hatte der sechsmalige Melbourne-Sieger im Tiebreak des fünften Satzes zurückgelegen. «Es war Drama pur», sagte Boris Becker als TV-Experte bei Eurosport und meinte: «100 Siege, das ist unglaublich. Sagenhaft. Man spricht gerne vom grössten Spieler aller Zeiten. Stand heute ist es Roger Federer.»
In 4:03 Stunden Spielzeit entging Federer einem ähnlichen Schicksal wie bei den US Open 2018. Damals war er gegen den Australier im Achtelfinale überraschend ausgeschieden. Diesmal kam Federer nach einem Aufschlagverlust zum 1:2 im fünften Satz direkt zurück. Fehler wechselten sich mit mitreissenden Ballwechseln ab, die Spannung stieg ins Unermessliche. Beim 5:4 und 6:5 fehlten dem Favoriten zwei Punkte zum Matchgewinn, dann endete der Tennis-Krimi doch erst im Tiebreak. Es sei ein «episches» Match gewesen, urteilte der glückliche Sieger.
Der bemerkenswerte Auftritt der erst 15-jährigen Coco Gauff wurde da fast zur Nebensache. Die jüngste Teilnehmerin warf die Titelverteidigerin aus dem Turnier, kämpft am Sonntag bei dem Grand-Slam-Turnier in Melbourne ums Viertelfinale und beweist einmal mehr, wie unberechenbar und offen das Damen-Tennis derzeit ist. «Ehrlich, was habe ich für ein Leben?», fragte sie nach ihrem 6:3, 6:4 gegen die japanische Vorjahressiegerin Naomi Osaka ungläubig. «Vor zwei Jahren habe ich hier in der ersten Runde bei den Junioren verloren, nun bin ich hier - das ist verrückt.»
Eine glanzvolle Tennis-Zukunft scheint vor Gauff zu liegen. In Wimbledon hatte die junge US-Amerikanerin erstmals für Furore gesorgt, als sie ebenfalls bis ins Achtelfinale kam. Bei den US Open war Gauff dann gegen Osaka noch chancenlos geblieben. Nun stieg sie zur jüngsten Tennisspielerin auf der WTA-Tour seit 1991 auf, die eine Top-Fünf-Gegnerin besiegte. Und ist bei ihren ersten drei Grand-Slam-Teilnahmen erfolgreicher als die Williams-Schwestern.
Vielleicht kann Gauff eines Tages gar das Erbe der grossen Serena Williams antreten. Ähnlich unerwartet wie Gauffs Auftritt kam zum Ende der ersten Turnierwoche das Drittrunden-Aus der 38 Jahre alten Amerikanerin, die ihre Jagd nach dem 24. Grand-Slam-Titel weiter verschieben muss. Auch das tränenreiche Karriereende der früheren dänischen Turniersiegerin Wozniacki sorgte für Schlagzeilen.
Görges wollte ihre verpasste Chance auf den erstmaligen Achtelfinaleinzug in Melbourne seit fünf Jahren nicht als Rückschritt werten. Die 31-Jährige aus Bad Oldesloe wirkte nach ihrem 6:1, 6:7 (4:7), 2:6 gegen die US-Amerikanerin Alison Riske gefasst.
«Ich weiss jetzt nicht, ob es schmerzhaft ist», sagte die Wimbledon-Halbfinalistin von 2018. «Mit den Jahren, die ich gespielt habe auf der Tour, kann ich das gut einschätzen und auch meine Leistung bewerten.» Nach einem hervorragenden ersten Satz hatte sie sich im zweiten Satz in den Tiebreak gekämpft, knallte dort frustriert ihren Tennisschläger auf den blauen Hartplatz und zeigte einen von ihr ungewohnten Wutausbruch. Drei Matchbälle wehrte sie in grandioser Manier noch ab, dann aber musste sie Riske gratulieren.
«Ich bin, wie ich mich spielerisch entwickele, sehr zufrieden», bilanzierte die Nummer 39 der Welt. Doch Görges verpasste damit ein reizvolles Achtelfinale gegen ihre Doppelpartnerin Ashleigh Barty, die Weltranglisten-Erste und grosse Hoffnungsträgerin der Australier. «Da wollen alle hin, eine schöne Sunday-Night-Party. Das wäre sehr schön», hatte die deutsche Damen-Chefin Barbara Rittner zuvor gesagt.