«Nach dem achten Gang wird niemand etwas wissen»

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Bern,

Schwingerkönig Matthias Glarner (33) wagt sich am Eidgenössischen Fest in Zug an die Titelverteidigung – dies gut zwei Jahre nach seinem fürchterlichen Sturz von der Gondel.

Matthias Glarner - gescheit, bodenständig, zuversichtlich
Matthias Glarner - gescheit, bodenständig, zuversichtlich - sda - KEYSTONE/ALEXANDRA WEY

Das Wichtigste in Kürze

  • Matthias Glarner, nach dem Sturz im Juni 2017 hätten Sie tot sein können.

Jetzt bereiten Sie sich auf das nächste Eidgenössische Fest vor. Hätten Sie damals gedacht, dass dies noch möglich sein würde?

«Es ist sehr vieles sehr viel besser gelaufen, als es mit solchen Verletzungen normal gewesen wäre. Ich bin extrem dankbar für die Chance, die ich noch einmal bekommen habe. Vor einem Jahr, als die zweite Operation kam, hätte ich nicht unbedingt mehr daran geglaubt. Aber ich habe auch viel investiert, damit ich die Chance noch einmal bekomme.»

Spüren Sie den linken Fuss beim Schwingen?

«Nein, das Schwingen geht tipptopp, dort spüre ich am wenigsten. Etwas mühsamer ist es, wenn ich vom Platz gehe und über den Rasen. Im Sägemehl denke ich auch nicht mehr daran. Jetzt muss ich einfach zwei Jahre Wettkampf-Routine in 30, 40 Tagen aufholen. Das ist mein Wettrennen.»

Zweimal nacheinander Schwingerkönig zu werden ist sowieso etwas Ausserordentliches. In den letzten 70 Jahren gab es vier erfolgreiche Titelverteidiger, Karl Meli, Ruedi Hunsperger, Ernst Schläpfer, Jörg Abderhalden. Die ersten zwei leben nicht mehr.

«Der fünfte eidgenössische Kranz wäre für mich an sich schon ein grosses Ziel. Der Kranz fällt einem nicht einfach auf den Kopf. Die erfolgreiche Titelverteidigung wäre auch dann eine sehr grosse Herausforderung gewesen, wenn ich gesund geblieben wäre.»

Ein Eidgenössisches Fest ist für jeden älteren Schwinger der schönste Schlusspunkt. Werden Sie in Zug den Schlusspunkt hinter Ihre Karriere setzen?

«Nach dem achten Gang in Zug wird niemand wissen, ob es mein letzter Gang war. Ich werde mir auch genug Zeit lassen, um das Ganze zu analysieren. Ich plane eine Auszeit, denn es ist wieder das Ende nach einem dreijährigen Weg. Ich werde auf meine Gesundheit schauen und darauf, ob ich nach 26 Jahren Schwingen noch Lust habe. Und irgendwann im Herbst werde ich mich entscheiden.»

Gibt es dann allenfalls einen Abschied mit einer grossen Feier?

«Ich will keinen Zirkus. Wenn es fertig ist, wird es einen Apero geben, in einem kleineren Rahmen.»

Es stehen ab nächstem Jahr weitere Höhepunkte im Programm. Der Jubiläumsschwinget 125 Jahre ESV in Appenzell, 2021 der Kilchberger Schwinget, dann schon wieder das nächste Eidgenössische, in Pratteln. Das wären doch reizvolle Aufgaben.

«Solche Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht. Wenn ich aber weiterfahre, muss ich ein klares Ziel mit einem Höhepunkt haben. Und ich muss sehen, ob es einen Weg dorthin gibt.»

Von Estavayer 2016 bleibt auch die brütende Hitze in Erinnerung. In Zug könnte es auch so werden. Macht die Hitze nicht gerade einem älteren Schwinger mehr zu schaffen?

«Wir waren in Estavayer im Berner Verband sehr gut betreut. Der Staff machte einen grossartigen Job und richtete eine unglaublich gute Garderobe ein, mit vielen Kühlmöglichkeiten. Wir hatten immer ein Bassin und genug Eis und konnten uns zwischen den Gängen abkühlen. Jedes Team, also auch wir vom Team Bern, bekamen eine leere Garderobe zur Verfügung gestellt. Dann kommt es darauf an, was man daraus macht. Unsere Leute machten das, wie gesagt, hervorragend. Für uns Berner Schwinger war es absolut top. Ich bin sonst eher der Typ, der trockene 20 Grad mag, und auch Regentropfen machen mir nichts aus. Ja, ich konnte mich dort immer wieder gut erholen.»

In einem Schlussgang gilt die Grundannahme, dass der Jüngere mehr Vorteile hat, je länger der Gang dauert. Trotzdem haben Sie den viel jüngeren Armon Orlik in der 14. Minute besiegt. Ist dies im Nachhinein auch für Sie erstaunlich?

«Ich wusste, dass ich topfit war, besser beieinander als je. Ich bin immer noch der Meinung, dass einer mit 34, 35, 36 Schwingerkönig werden kann, wenn er verletzungsfrei über eine längere Zeit trainieren kann. Deshalb hat mir mein Alter vor dem Schlussgang keine Sorgen gemacht. Klar ist aber auch, dass ein junger Schwinger einen Wettkampf über zwei Tage in der Regel besser bewältigen kann. Aber wenn du als älterer Schwinger am Eidgenössischen am Samstagmorgen gesund und beschwerdefrei in die Arena einlaufen kannst, sind für dich 50 Prozent der Arbeit schon erfüllt.»

Sie sagten damals nach dem Schlussgang in der Arena vor dem ganzen Publikum wörtlich, es sei 'ja wahnsinnig, wie dieser Orlik schwingen' könne. Jetzt sind drei Jahre vergangen, und die vier Jungen Orlik, Giger, Wicki und Reichmuth schwimmen obenauf. Hat es sich so entwickelt, wie Sie damals vielleicht schon vermutet hatten?

«Es ist genau in diese Richtung gegangen. Ich habe die Jungen auch mitverfolgt und sie beobachten können. Ich sehe, wie sie Fortschritte machen. Sie trainieren auf einem unglaublich professionellen Niveau. Es ist eindrücklich, was sie in den Sport investieren. Das ist die neue Generation, die das Schwingen lebt. Nick Alpiger, Lario Kramer, Remo Käser, wenn er gesund ist, gehören sicher auch dazu. Schade ist, dass es nicht 20 von ihnen gibt. Man muss in Zukunft auch in der Nachwuchsarbeit ein Augenmerk darauf haben.»

Die Innerschweizer haben jetzt das Eidgenössische bei sich. Sie stellten als grösster Verband erst einen einzigen Schwingerkönig, Harry Knüsel 1986. Ist dies für Sie ein Phänomen?

«Eine Erklärung ist schwierig. Es ist nicht logisch. Die Innerschweizer sind der Verband mit der grössten Breite. Sie waren viele Male sehr nahe dran. Aber in entscheidenden Momenten gab es an den Eidgenössischen Ausnahmeerscheinungen von anderen Verbänden. Ich denke an Abderhalden, Forrer, Wenger, Sempach.»

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