Traumabschied für Tony Martin - WM-Gold im Mixed-Zeitfahren
Das Wichtigste in Kürze
- Im herrlichen Sonnenschein von Brügge strahlte Tony Martin voller Glück.
Zufrieden und stolz strich sich der 36-Jährige immer wieder über sein Regenbogentrikot des Weltmeisters, das er sich jetzt mit in die Radsport-Rente nehmen darf.
«Es ist ein Traum, mit WM-Gold zu gehen», sagte Martin nach dem Titel des deutschen Teams im Zeitfahr-Mixed über 44,5 Kilometer im belgischen Flandern. Bei der Siegerehrung nahm er seine Teamkolleginnen in den Arm und hängte ihnen stolz die Goldmedaillen um den Hals. «Man soll ja immer aufhören, wenn es am schönsten ist. Und ich hätte mir keinen schöneren Tag für den Abschied vorstellen können», fügte Martin an.
Zuvor hatte der Routinier aus Cottbus die furiose Fahrt der Golden Girls aus Tokio auf dem Monitor verfolgt und als Zuschauer erfahren: das letzte Rennen seiner glorreichen Karriere sollte ein goldenes werden. Das deutsche Sextett mit Martin, Nikias Arndt, Max Walscheid sowie den Olympiasiegerinnen Mieke Kröger, Lisa Klein und Lisa Brennauer liess im Zeitfahr-Mixed am Mittwoch alle anderen Nationen hinter sich und sicherte dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) das erste WM-Gold seit 2016. Auf dem flachen Kurs von Knokke-Heist nach Brügge komplettierten die Niederlande und Italien die Medaillenränge.
«Nun ist Zeit zu feiern»
«Wir haben auf Gold gehofft, jetzt ist der Traum wahr geworden. Nun ist Zeit zu feiern», sagte Martin nach seinem letzten Coup. Klein fügte hinzu: «Wir sind alle über das Limit gegangen. Das ist atemberaubend. Das ist so eine Ehre, mit Tony zu fahren. Das ist ein Geschenk für ihn.» Ähnlich bewundernd äusserten sich die weiteren Kolleginnen und Kollegen.
Für Martin, der 2011, 2012, 2013 und 2016 viermal Weltmeister im Einzelzeitfahren wurde, war es nicht nur die achte Goldmedaille bei Weltmeisterschaften, sondern ein perfekter Abschied aus dem Profisport. «Thank you, Tony»-Shirts wurden gedruckt und zu Ehren des Jumbo-Visma-Profis, der sich mit genau solchen Bildern von der grossen Bühne verabschieden wollte, verteilt. Für den BDR ist es die zweite Medaille bei diesen Titelkämpfen, nachdem Antonia Niedermaier am Dienstag Bronze bei den Juniorinnen holte.
Der von schweren Stürzen geplagte Martin hatte am Sonntagmorgen angekündigt, seine Laufbahn nach der WM zu beenden und damit auch seinen bis 2022 gültigen Vertrag bei Jumbo-Visma nicht mehr zu erfüllen. Um sich die Möglichkeit auf ein glänzendes Ende mit Edelmetall zu geben, verzichtete Martin auf das Strassenrennen.
Der Plan ging auf: Völlig erschöpft und verschwitzt sass er auf dem Asphalt, erst danach herzte er nach der Zwischenbestzeit seine Teamkollegen. Bei der gutbesuchten Siegerehrung scherzte und lachte der Champion, als habe er das schwere und von vielen Rückschlägen geprägte Seuchenjahr 2021 komplett vergessen. «Natürlich ist es ein ganz, ganz besonderer Tag. Das ist einfach nur Wahnsinn. Natürlich war die Motivation höher, ihm so ein Abschiedsgeschenk zu machen», sagte auch Mitstreiter Arndt.
Martin macht seinem Spitznamen alle Ehre
An einem herrlichen Septembertag zeigte sich auf dem flachen Kurs vom Küstenort hinein nach Brügge, was Martin auch im Alter von 36 Jahren noch so wertvoll macht. Der Spitzname «Panzerwagen», der sich auf Martins beeindruckende Zeitfahrkünste bezieht, hatte bis zum letzten Profiwettbewerb seine Berechtigung. Der Cottbuser und die drei Frauen Klein, Brennauer und Kröger waren schon 2019 in England Teil des Silber-Teams, das starke Frauen-Trio hat zudem jüngst Gold auf der Bahn bei den Olympischen Spielen in Tokio geholt.
Martin, der beim sechsten Rang im Einzelzeitfahren schon von seinen Gefühlen übermannt wurde, überliess beim letzten Kapitel nichts dem Zufall. Schon in der Morgensonne war das deutsche Männertrio parallel zur Küste durch Knokke-Heist gestrampelt. Angeführt - natürlich - von Spezialist Martin, der für seine weitere Zukunft noch keine konkreten Pläne hat. Zunächst einmal möchte er mit seiner Familie in den Urlaub fahren.