Queerer Volleyball-Star Patch: «Wir haben die Stimme»
Benjamin Patch ist der erste offen queere Spieler im deutschen Profisport. Der Star der Berlin Volleys hat in der Hauptstadt etwas gefunden, was er so lange nicht kannte: Freiheit.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundfaltenhose, Hemd, Krawatte.
Benjamin Patch musste so was mal tragen. Das liegt lange zurück, zwischen damals und heute liegen Welten.
Denn heute kann man sich den Star der Berlin Volleys in so einem beamtentauglichen und züchtigen Outfit gar nicht mehr vorstellen. Patch ist aber das schwarze Adoptivkind von weissen Mormonen, aufgewachsen in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah. Und als Patch 19 war, musste er mit der Missionarsarbeit beginnen. Also versuchen, andere Menschen von seiner Religionsgemeinschaft zu überzeugen.
Die Mormonen leben nach sehr strengen Glaubensregeln, auch was Sexualität betrifft. Kontakt zur Familie ist während der Missionarszeit so gut wie nicht erlaubt. Patch kam damit nicht mehr klar. Es gab mehrere Gründe für den Bruch, ein entscheidender: «Ich mag Männer», sagt der 26-Jährige und lacht. «Ich bin ein sehr offener Mensch. Ich habe immer gespürt, dass ich dem Leben allgemein aufgeschlossen bin.»
Patch, leiblicher Sohn eines ehemaligen American-Football-Profis, stieg aus. «Es war für mich ein riesiger Moment, entscheiden zu müssen: Führe ich weiter ein Leben in Unklarheit und hinter Mauern oder reisse ich diese Mauern nieder und entscheide mich, ein freier und selbstbestimmter Mensch zu sein», erzählt der US-Nationalspieler der Deutschen Presse-Agentur vor dem Auftakt der Meisterfinalserie gegen den VfB Friedrichshafen am Donnerstag (18.00 Uhr/Sport1).
Patch, der insgesamt zwölf Geschwister hat, verliess die USA und wechselte nach Italien. Das Jahr in Kalabrien sollte eigentlich seine Befreiung sein, frei fühlte er sich dort aber nie. Süditalien war für ihn starr, eng, irgendwie so wie Utah.
2018 bekam der Diagonalangreifer dann das Angebot, nach Berlin wechseln zu können - und die deutsche Hauptstadt fühlt sich für ihn nun so an, als könne er nach langem Luftanhalten endlich ausatmen. «Es ist ein wundervoller Ort, um sich selbst kennenzulernen und akzeptiert zu werden, egal wer und egal wie man ist», sagt Patch.
Offen ist er, das trifft es wohl am besten. Beiläufig erzählte er dem «Tagesspiegel» im vergangenen Jahr, dass er queer sei. Es steht als Sammelbegriff für den Stolz auf Abweichung, mit dem sowohl die ganze Bewegung als auch einzelne Menschen bezeichnet werden können. Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
«Für mich hatte das keinen Schockeffekt. Was hätten die Leute denn tun sollen? Sollen sie dich feuern, weil du queer oder schwul bist? Die ganze Welt wäre hinter solchen Menschen her», sagte Patch. «Es muss sich normalisieren, weil es etwas ganz Normales ist.»
Berlin ist die richtige Stadt für ihn, die Volleys der richtige Verein. «Im 21. Jahrhundert sollte es im Sport selbstverständlich sein, sich outen zu können», sagte Geschäftsführer Kaweh Niroomand dem «Tagesspiegel» und verlängerte den Vertrag von Patch bis 2024.
Für Patch, der gerne tanzt und in seinem Studio töpfert, fühlt sich dieses Jahr nach Wandel an, nach weiterem Wandel. Nach den Klimaprotesten, nach den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Patch traut seiner Generation eine entscheidende Rolle in der Debatte um sexuelle Selbstbestimmung zu.
«Wir haben die Stimme und wir können die Kontrolle gewinnen. Wenn Menschen nicht fair behandelt werden, dann haben wir die Macht, uns Gehör zu verschaffen. Ich selbst versuche, ein Pioneer des Guten zu sein», sagt er. Natürlich klingt das pathetisch und vielleicht auch naiv. Aber eben auch ehrlich und selbstbestimmt.