Draisaitl nach WM-Aus geknickt - Seider neuer Top-Star?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Ansprüche an sich selbst sind bei Leon Draisaitl noch grösser als von anderen an ihn.
Im entscheidenden Moment erfüllte Deutschlands Eishockey-Top-Star sie nicht mehr.
Entsprechend frustriert war der Weltklasse-Stürmer der Edmonton Oilers nach dem WM-Aus im Viertelfinale gegen das Geburtsland seines Vaters Peter. «Man kann nicht immer perfekt spielen oder nicht so spielen, wie man es erwartet», meinte der 23-Jährige nach dem 1:5 (0:0, 1:1, 0:4) am Donnerstag in Bratislava gegen Tschechien.
Draisaitl wollte bei seiner fünften WM-Teilnahme in der Slowakei der Anführer im Team von Bundestrainer Toni Söderholm sein. Dass ihm das nicht gelang, kann man nicht sagen. Draisaitl war nach seiner überragenden NHL-Saison mit 50 Toren und 105 Scorerpunkten in der Slowakei Deutschlands bester Torschütze (5) und Punktesammler (8). In wichtigen Momenten machte er erstmals bei einer WM den Unterschied.
Etwa beim 3:2-Siegtor gegen den Gastgeber Slowakei 27 Sekunden vor dem Ende, das die Viertelfinal-Teilnahme so gut wie perfekt gemacht hatte. Sein bestes Spiel machte er am Dienstag gegen Finnland beim überragenden 4:2 mit zwei Toren und einer Torvorlage, nachdem Söderholm zuvor ein besseres Defensivverhalten angemahnt hatte.
Am Donnerstag jedoch war es schwer für Draisaitl. Die Tschechen attackierten ihn oft zu zweit und hart. Vor dem ersten Gegentor von Jan Kovar (34.) verlor Draisaitl den Puck. «Happy? Nicht sonderlich», sagte er daher, nach der eigenen WM-Leistung gefragt.
Gewurmt haben dürfte ihn auch die öffentliche Aussage Söderholms nach dem Vorrunden-Spiel gegen die USA (1:3). «Leon kann auf alle Fälle besser in der Defensive arbeiten. Ich denke nicht, dass das ein Geheimnis ist», hatte der finnische Bundestrainer zutreffend gesagt.
Anders als in Edmonton ist auch seine Defensivarbeit beim Nationalteam vonnöten. Natürlich habe man durch Draisaitl einen «Qualitätszugewinn», meinte Sportdirektor Stefan Schaidnagel. «Dennoch müssen wir uns immer übers Kollektiv verstehen.» Ein Problem, wie manch einer annahm, war Söderholms Hinweis nicht. Draisaitl antwortete gegen Finnland im Stile eines Top-Stars: Mit Leistung und einer engagierteren Abwehrarbeit.
Auch gegen Tschechien stellte sich Draisaitl auffallend oft in den Dienst der Mannschaft, die ihn vor allem nach dem einzig miesen WM-Spiel beim 1:8 gegen Kanada ebenfalls in die Pflicht genommen haben soll. Dass Söderholm öffentlich etwas unbedarft und so ehrlich gewesen ist, störte ihn aber doch. «Er ist ein junger Trainer, der logischerweise noch zu lernen hat. Das ist ganz normal», sagte Draisaitl, lobte den Bundestrainer aber auch nach dessen erster WM.
Dass auch Draisaitl immer noch lernen kann, zeigte sich in der Slowakei auch deutlich. In Sachen Unbekümmertheit machte ihm und dem ganzen Team der erst 18 Jahre alte Moritz Seider etwas vor. Eine Woche nach dem üblen Check gegen die Bande vom Slowaken Ladislav Nagy stand der Abwehrspieler am Donnerstag wieder auf dem Eis und spielte, als sei er nie weg gewesen: abgeklärt, mit Ruhe und Übersicht.
«Seine Zukunft wird sehr gut, da bin ich mir ziemlich sicher», sagte Söderholm über das grösste deutsche Talent, das im Gegensatz zu Draisaitl in ganz jungen Jahren auch schon neben dem Eis klar und nicht minder ehrgeizig auftritt. «Es sind nur noch acht Mannschaften im Rennen. Ich denke, jeder hat eine gute Chance, Weltmeister zu werden. Davon träumt man natürlich», sagte Seider nach dem Aus.
Schon bald dürfte sein Weg ebenfalls nach Nordamerika führen. Als Verteidiger wird er nie für so viel Spektakel wie Draisaitl sorgen, doch mit seinem Auftreten und seiner Präsenz könnte Seider in den kommenden Jahren zu einer Instanz im deutschen Eishockey werden.