Didi Hamann: Fussball muss aufpassen, dass er Fans nicht verliert

Nau Sport
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Prättigau,

DFB- und Liverpool-Legende Didi Hamann hebt im Interview mit Nau.ch den Mahnfinger. Der Fussball müsse aufpassen, dass er die Fans nicht verliere.

Didi Hamann
Dietmar Hamann spricht im Interview mit Nau.ch über die Entwicklungen im Fussball. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Didi Hamann mahnt, dass der Fussball die Fans nicht verlieren dürfe.
  • Durchschnitts-Spieler würden zu hohe Gehälter kassieren.

Er spricht heute so, wie er früher gespielt hat. Dietmar («Didi») Hamann (47) war nie ein Blender auf dem Spielfeld. Und er ist ebenso keiner, wenn er für den Fussballsender Sky die Spiele analysiert.

Aber seine Spielweise im Mittelfeld war derart gefragt, dass er in der Premier League auf 268 Auftritte kommt. Und zwar für Newcastle, Liverpool und Manchester City. Damit ist er der Rekordhalter unter den deutschen Profis.

Teil des denkwürdigen CL-Finals 2005

Das führte auch zum Engagement beim irischen Fernsehen, wo er Spiele der Nationalmannschaft analysiert. Fussballgeschichte schrieb Didi Hamann, als er im Champions-League-Final 2005 gegen Milan beim Stand von 0:3 eingewechselt wird.

Dann führt er die Wende zum 3:3 herbei und trifft im Penaltyschiessen trotz gebrochenem Fuss für Liverpool.

Das Interview mit Didi Hamann

Nau.ch: Didi Hamann, Sie reden am Fernsehen genau so schnörkellos, wie Sie gespielt haben. Das gefällt den Zuschauern offensichtlich.

Didi Hamann: Die Leute schalten nicht wegen mir ein, sondern weil sie Fussball schauen wollen. Aber wenn ich mit meinen Kommentaren einen Mehrwert schaffen kann, höre ich das Kompliment natürlich gerne.

Mein Vorteil ist, dass ich viele Spieler noch persönlich kenne, aber ihnen dennoch nicht sehr nahestehe. So kann ich unbefangen urteilen. Es macht mir auch Spass, weil ich von Sky nie Vorgaben oder Einschränkungen erhalte und völlig frei reden kann. Ich muss ja nicht immer recht haben, aber ich möchte die Leute zum Nachdenken bringen.

Nau.ch: Über was müssten wir heute nachdenken? Über die vielen Millionen, die fliessen?

Didi Hamann: Auch zu meinen Zeiten haben wir gut verdient und ich bin niemandem um sein Geld neidisch. Wenn ein Weltstar wie Messi oder Ronaldo 50, 60 oder 80 Millionen verdient, hat niemand ein Problem damit. Aber wenn ein Durchschnittsspieler hohe Millionensaläre erhält, kommen wir in Bereiche, wo es ungesund wird.

Hat Didi Hamann recht?

Ich glaube, wir sind an einem Siedepunkt angelangt, wo wir aufpassen müssen, dass wir den Fan nicht verlieren. Wir haben eine Pandemie, bei der viele Leute um ihren Job bangen und ihnen vielleicht sogar gekündigt wird. Und auf der anderen Seite reist die deutsche Nationalmannschaft die 250 Kilometer von Stuttgart nach Basel im Flieger.

Dass der DFB als grösster Sportverein der Welt solche Zeichen setzt, kann ich nicht nachvollziehen. Das zeigt, wie weit sich der Fussball von der Basis entfernt hat.

Didi Hamann spricht über die Blase Profi-Fussball

Nau.ch: Die Warnung, so könne es nicht weitergehen, hören wir seit Jahrzehnten. Und dennoch geht es immer so weiter.

Didi Hamann: Das ist so. Aber erinnern wir uns an die Internet-Blase, die geplatzt ist. Und seit vier, fünf Jahren werde ich mit meinen Beobachtungen immer kritischer. In England können sich viele Fans die Tickets schlicht nicht mehr leisten, weil sie zu teuer sind.

Aber die Engländer sind immer noch zufrieden, wenn sie ihre Stars am Bildschirm sehen können. In Deutschland ist das anders. Da haben wir eine weltweit einzigartige Fankultur.

Aber irgendwann wird sich der Fan vom Profifussball abwenden, die Deutschen denken da anders als die Engländer. Wenn dieser Fall eintritt, haben wir ein grosses Problem.

Nau.ch: Wir haben mit Corona ein anderes grosses Problem. Die Fans müssen zuhause bleiben. Besteht die Gefahr, dass sie sich daran gewöhnen?

Didi Hamann: Das glaube ich nicht. Es gibt weiterhin einen grossen Hunger für live Sport und live Fussball. Aber wir müssen an die Vereine denken.

Wenn die bis Oktober oder länger keine Zuschauer haben, gibt es trotz Fernseh-Einnahmen Probleme. Natürlich geht die Gesundheit der Leute vor. Aber wenn es irgendwie machbar ist, müssen wir die Zuschauer wieder ins Stadion bringen.

Didi Hamann
Didi Hamann hofft auf volle Ränge in naher Zukunft. - dpa

«Kompliment an die Teams!»

Nau.ch: Gibt es für Sie als Analyst einen grossen Unterschied zwischen Spielen mit oder ohne Zuschauer?

Didi Hamann: Am Anfang wusste ich nicht, wie sich das anfühlt. Wir hatten bei Sky auch die Option, die Publikumskulisse künstlich einzuspielen. Für mich, der früher mittendrin stand, war es sehr interessant, zu sehen, wen man hört und wen nicht.

Überrascht hat mich die Qualität der Spiele. Da möchte ich den Spielern und Trainerteams ein Kompliment aussprechen. Denn vor allem für die Spieler muss die Umstellung, in grossen, aber leeren Stadien zu spielen, sehr gross sein.

Nau.ch: Was sagen Sie zum Spiel Schweiz – Deutschland?

Didi Hamann: Ich habe das Spiel nicht gesehen. Dass bei Deutschland mehrere Bayern-Spieler fehlten, hat offensichtlich die Qualität der Mannschaft deutlich vermindert.

Schweizer Nati
Die Schweizer Nati holt gegen Deutschland ein 1:1 in der Nations League. - dpa

Engagement für Kinder im Sport

Nau.ch: Sie engagieren sich mit vielen Fussballerkollegen bei Gofus.

Didi Hamann: Das ist mir sehr wichtig. Wir haben das Problem, das sich die Jugend immer mehr auf irgendwelche Spielkonsolen oder andere elektronische Geräte konzentriert. Und sich damit vom Sport entfernt.

Wenn ich mit Lehrern spreche, erzählen sie mir, dass viele Kinder nicht einmal mehr wissen, was ein Purzelbaum ist. Das kann nicht so weitergehen.

Die Jungen sollen ihre Zeit mit Elektronik verbringen, aber man kann dies als Eltern auf eine Stunde beschränken. Deshalb muss der Sport seinen Platz zurückholen. Jeder Sportplatz ist wichtig, deshalb bin ich bei den Aktionen von Gofus sehr gerne dabei.

-

*Vor wenigen Tagen weilte Didi Hamann in Davos, um bei einem Golfturnier für den Verein «Gofus» Geld zu sammeln. «Gofus» (Golf und Fussball) gibt es auch in Deutschland, Holland, Spanien, Frankreich und Österreich.

In der Schweiz ermöglichte Gofus in jüngster Zeit der Stiftung «Platz da!» den Bau von Mehrzwecksportanlagen für Jugendliche in kleinen Gemeinden.

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