Joachim Löw: «Gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen»
Ein kämpferischer Bundestrainer schiebt alle Störfeuer zur Seite. Für eine grundlegende Kurskorrektur sieht Joachim Löw keinen Anlass.
Das Wichtigste in Kürze
- Joachim Löw sieht derzeit keinen Anlass für eine Kursänderung.
- Gedanken an einen Rücktritt habe es nicht gegeben.
- Das Verhalten der DFB-Spitze habe ihn jedoch enttäuscht.
Joachim Löw sieht nach der 0:6-Blamage in Spanien und den Diskussionen um seine persönliche Zukunft keinen Anlass für eine Kursänderung. Noch nicht.
«Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen». Dies sagte der auch nach dem jüngsten Vertrauenszuspruch der DFB-Spitze weiterhin kritisierte Bundestrainer während einer Videokonferenz: «Wir verfolgen unsere rote Linie.»
An einen freiwilligen Rücktritt habe er auch in der grössten Frustration nicht gedacht. Dies betonte der 60-Jährige, der seit 2006 die Geschicke der deutschen Fussball-Nationalmannschaft leitet. «Diesen Gedanken gab es bei mir nicht», sagte Löw.
Joachim Löw: «Niederlage hängt mir immer noch an»
«Für mich persönlich, klar, man ist völlig frustriert. Diese Niederlage hängt mir immer noch an und ich stehe mit diesem Frust manchmal morgens auf. Aber als Trainer weiss man schon, wie kann man es einordnen und stimmt der Weg.»
Er sei sich bewusst, als Trainer in der Kritik zu stehen. «Ich kann die Wut und Enttäuschung absolut verstehen», sagte Löw. Aber er wisse auch, mit Kritik umzugehen, dafür sei er lange genug im Geschäft. Das Entscheidende aber sei die Entwicklung der Mannschaft.
Und die habe eine grosse Perspektive. «Ich glaube nicht, dass sich die Spieler von so einer Stimmungslage beeinflussen lassen», betonte Löw.
In eineinhalb Jahren des Umbruchs hätten Verantwortliche und Akteure der Nationalmannschaft «vieles gut gemacht». Und man habe «klar gesehen, das sich die Mannschaft entwickeln kann. Und sie sich das Vertrauen auch verdient», bemerkte der DFB-Chefcoach und schloss an: «Wir haben grosse Möglichkeiten.»
Lange Pause wegen Corona
Joachim Löw räumte jedoch ein, dass «2020 die Entwicklung stehen geblieben ist». Er verwies aber darauf, dass es wegen der Coronavirus-Pandemie eine lange Pause gegeben habe. Bei drei Spielen in neun Tagen seien kaum Trainingseinheiten möglich gewesen.
«Die klare Direktive war, dass wir die Gesundheit der Spieler über alles stellen. Wir brauchen Spieler, die körperlich, mental frisch in das Turnier gehen.»
Die EM im kommenden Sommer sei das Entscheidende. Dabei wolle sein Team eine «bestmögliche» EM spielen. Im Vorfeld sei es schwierig, über genaue Vorgaben zu sprechen, sagte er.
«Die Erwartungen sind sicherlich sehr gross, aber das ist unser eigener Anspruch. Wir wollen so weit wie möglich kommen, das Finale erreichen, das Turnier gewinnen.» Aber er wisse, dass bei einem Turnier «viele Dinge» passieren könnten, sagte Löw: «Wir gehen Schritt für Schritt in ein Turnier.»
Grosse Enttäuschung über die DFB-Spitze
Der Bundestrainer machte in seinen Ausführungen seine grosse Enttäuschung darüber öffentlich, wie der Deutsche Fussball-Bund nach dem Spanien-Spiel agiert habe. «Es gab eine Pressemitteilung, der Trainer brauche emotionale Distanz», sagte Joachim Löw: «Das war für mich unverständlich, weil emotionale Distanz brauche ich nicht.» Er habe sich sehr darüber geärgert, dass Inhalte aus internen Gesprächen mit dem DFB an die Öffentlichkeit gelangt seien: «Das hat mich persönlich masslos enttäuscht.»
Der DFB hatte vor einer Woche mitgeteilt, dass Löw Bundestrainer bleibe. Am Freitag hatte DFB-Direktor Oliver Bierhoff ausführlich die Analyse der sportlichen Situation vorgestellt.