Die Tränen des Neymar - Tuchel: Verlieren schlimmstes Gefühl
Einer leidet nach dem Endspiel der Champions League ganz besonders. Neymar setzt die Niederlage gegen den FC Bayern schwer zu. Trainer Tuchel macht ihm aber Mut. Für Paris Saint-Germain soll die Final-Premiere ohne Happy End erst der Anfang gewesen sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Neymar vergoss bittere Tränen der Enttäuschung - dann streichelte Brasiliens Superstar mit geschlossenen Augen den silbernen Henkelpott, den er allzu gerne in den Nachthimmel von Lissabon gereckt hätte.
Nach dem 0:1 (0:0) im Finale der Champions League gegen die ausgelassen feiernden Triple-Bayern war der Topstürmer des französischen Meisters Paris Saint-Germain am Boden zerstört. «Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten», schrieb der Brasilianer bei Instagram. Dazu ein Foto, die Hand vor den verweinten Augen, den Kopf gesenkt.
Auch Sieger David Alaba konnte Neymar kaum Trost spenden - obwohl sich der Bayern-Verteidiger bei einer langen Umarmung unmittelbar nach dem Abpfiff nach besten Kräften darum bemühte und dafür zunächst sogar auf den Jubel mit seinen Teamkollegen verzichtete. «Untröstlich», schrieb die französische Sportzeitung «L'Équipe» in grossen Lettern über ein Titelbild mit Neymar und kommentierte: «Bonjour Tristesse».
Die herrschte auch in der Heimat. In Paris kam es nach der Niederlage zu heftigen Ausschreitungen, bei denen die Polizei Tränengas einsetzte und 158 Menschen hauptsächlich wegen Beschädigung, Gewalttätigkeit oder dem Werfen von Gegenständen festnahm. Entlang der Prachtstrasse Champs-Élysées setzten Randalierer Fahrzeuge in Brand, zerbrachen Fensterscheiben und zerstörten Geschäfte. 16 Beamte wurden bei den nächtlichen Krawallen verletzt.
Die Wunden der PSG-Stars waren seelischer Art. Wieder wurde es nichts mit dem grossen, praktisch aber auch einzigen Ziel des Hauptstadtclubs mit den reichen Geldgebern aus Katar. «Es ist das schlimmste Gefühl, zu verlieren», räumte Trainer Thomas Tuchel ein. «Vielleicht hat uns ein bisschen das Glück gefehlt.»
Der 46-Jährige war nach dem Abpfiff mit seinen Krücken auf den Platz gehumpelt, hatte dort auch mit Uli Hoeness gesprochen. Er habe ihm gratuliert, berichtete Tuchel: «Es ist absolut beeindruckend, was er gemeinsam mit Karl-Heinz-Rummenigge erschaffen hat und wie der FC Bayern im Moment da steht. Im Moment sind sie auf dem Weg zu einem der grössten Clubs in Europa und der Welt.»
Das würden die PSG-Besitzer nur allzugern auch über ihren Verein sagen. Das erstmalige Erreichen des Finales der europäischen Königsklasse wird ihnen nicht genügen. «Natürlich sind wir traurig», sagte PSG-Präsident Nasser Al-Khelaïfi. «Wir werden daran arbeiten, diese Champions League zu gewinnen, wir waren nah dran, und nach diesem Abend glauben wir noch mehr daran als vorher.»
Mit welchem Kader und mit welchen möglichen weiteren Superstars Tuchel kommende Saison arbeiten und den nächsten Versuch starten wird, dürfte sich bald zeigen. «Wir werden jetzt Gespräche führen, nicht über meine Verlängerung, sondern Gespräche, wie wir die Mannschaft wieder neu aufbauen und weiter verstärken müssen», erklärte Tuchel.
Nie zuvor war Frankreichs Serienmeister dem grossen Ziel - dem erstmaligen Gewinn der Champions League - näher als vor dem Anpfiff des Endspiels am Sonntagabend in Lissabon. Doch als es darauf ankam, konnte das Star-Ensemble um Neymar, Kylian Mbappé oder Angel Di Maria die Bayern nicht aus der Erfolgsspur bringen. «So mancher hatte gehofft, dass die Götter des Fussballs dieses Jahr dem PSG beistehen würden. Das Erwachen ist schmerzhaft», schrieb die Zeitung «Le Parisien».
Das traf auf die Mannschaft im Allgemeinen und Neymar im Besonderen zu. «Es war nicht sein Finale. Das Phänomen, das in den letzten Spielen fast übernatürlich geworden war, ist wieder menschlich geworden, fast gewöhnlich», analysierte das Blatt die Leistung des 28-Jährigen. Und «Libération» titelte: «Neymar ging unter: Von der deutschen Organisation isoliert, genervt von der voranschreitenden Spielzeit, war er nicht in der Lage, wie sonst das Kaninchen aus dem Hut zu zaubern.»
2015 hatte Neymar im Trikot des FC Barcelona den Pott in den Händen halten dürfen. Diesmal war nicht mehr als ein kurzes Tätscheln voller Sehnsucht beim «verpassten historischen Rendezvous von PSG» («Le Monde») drin. Das weckte zumindest bei Tuchel neuen Ehrgeiz: «Wir brauchen neue Energie, wir brauchen neue Qualität, um unser Niveau zu halten und um allen ganz klar die Perspektive aufzuzeigen, dass wir nicht nachlassen, dass wir weiter nach vorn gehen und dass das, was wir uns aufgebaut haben, erst der Anfang ist und nicht bereits der Höhepunkt.»